Sozial nachhaltig?

Über Fairness und die Wahrung von Menschenwürde

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Nachhaltigkeit, dieser Begriff ist in aller Munde. Oft verbindet man mit ihm eine ökologische Perspektive: Die Erde, die Natur so zu behandeln, dass auch künftige Generationen dieselben oder bessere Verhältnisse vorfinden als wir heute. Im klassischen Nachhaltigkeitsmodell ist von ihren drei Säulen oder Dimensionen die Rede: Ökologie, Ökonomie und Soziales. Natur- und Klimaschutz und Erhalt der Ressourcen, das ist klar. Ökonomisch nachhaltig agieren, das kann man sich so vage vorstellen. Aber sozial nachhaltig? Was bedeutet das genau?

Unter den 17 Zielen zur nachhaltigen Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) der UN-Agenda 2030 gibt es solche, die sich explizit mit sozialen Aspekten befassen:

  • Gegen den Hunger und Unterernährung vorgehen
  • Gesundheit und Wohlergehen
  • Hochwertige Bildung
  • Geschlechtergleichheit
  • Menschenwürdige Arbeit

Doch generell ist den Zielen zueigen, dass sie sich meist allen Dimensionen zuordnen lassen. So ziehen aus wirtschaftlichen Gründen verursachte Umweltschäden und besonders der menschengemachte Klimawandel auch eine Reihe weiterer Probleme nach sich: etwa, wenn ungleicher Zugang zu Lebensmitteln, aber auch Bildung und Mitbestimmung soziale Unruhen oder Migrationsbewegungen auslösen.

Fairness und die Wahrung von Menschenwürde sind elementare Faktoren sozialer Nachhaltigkeit. Mir fällt hierzu besonders ein Bibelzitat ein, das mir auch als Johanniter am Herzen liegt:

„Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan“ (Mt 40:25). Von Raymond de Puy, dem ersten bedeutenden Großmeister des „Ritterlichen Ordens des Heiligen Johannes des Spitals zu Jerusalem“, dem Vorläufer des heutigen evangelischen Johanniter- und des katholischen Malteserordens, ist zudem das Bonmot überliefert, er habe die Ordensmitglieder dazu aufgefordert, sich trotz zunehmenden Ordensvermögens stets einfach zu kleiden. Denn man verstehe sich ja als Diener der Armen, und diese seien die Kinder Christi. Und wenn die Armen in Lumpen gingen, dann sei es unanständig, wenn deren Diener sich in prunkvolle Gewänder hüllten.

Was auf den ersten Blick wie eine putzige Anekdote wirkt, hat einen tiefen Kern ganz im Sinne christlicher Nächstenliebe – und ebenso hinsichtlich sozialer Nachhaltigkeit. Im Arbeitskontext bedeutet dies, die Mitarbeitenden und Kolleg_innen so zu behandeln, dass sie sich in gutem Miteinander wissen, sie beispielsweise gern zur Arbeit kommen. Weil sie gesehen werden, mit Respekt behandelt werden, geschätzt werden. Das bedeutet nicht, dass Kritik nicht erlaubt ist. Sondern dass Kritik an der Arbeit und Arbeitsleistung nicht mit Angriffen auf der persönlichen Ebene verbunden werden. Denn dies gehört explizit zu den Dingen, die der oft zitierte §1 unseres Grundgesetzes meint: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Leider ist der Begriff „soziale Nachhaltigkeit“ so abstrakt. Vielleicht gibt es ein paar Hilfestellungen, ein Fünf-Punkte-Plan zur täglichen Umsetzung? Mein Vorschlag:

  1. Lächeln! Klingt so einfach, ist es aber nicht. Wer in permanenter Habachtstellung durch seinen (Arbeits-)Alltag läuft, macht sich klein, verschließt sich. Besser nicht auffallen, „unsichtbar sein“, emotions- und meinungsloses Rädchen im Getriebe. Dies kann auch unter betriebswirtschaftlichen Aspekten kein erstrebenswertes Ziel eines Unternehmens sein. Daher: Ein freundliches Wort, ein Lächeln, eine entsprechende Geste können Wunder bewirken, beflügeln. Es macht die Beschenkten größer, es würdigt sie. 
  2. Aufmerksam sein! Nehme ich meine Kolleg_innen wirklich wahr? Bin ich achtsam genug? Nur wer genau hinsieht, sieht deren Freude – oder auch die sorgsam überschminkten Augenringe. Die Verzweiflung, die Trauer, die Wut. Gerade dann hilft vielleicht ein freundliches Wort, ein Zeichen: Du bist nicht allein!
  3. Sich beschenken lassen! Ja, der Sender von Freundlichkeit wird auch seinerseits mit Dankbarkeit und vielleicht einem Lächeln beschenkt. Tue ich nichts, verpasse ich vielleicht diese Chance. Es ist – neudeutsch – also mit unmittelbarer Rückkopplung verbunden. Warum nicht das klassische „Auge um Auge“ auch mal dergestalt auslegen?
  4. Respekt und Achtung zeigen! Mein Gegenüber, wie sehr ich mich auch gerade über ihn oder sie ärgere, ist ein geliebtes Geschöpf Gottes. Also habe ich mich auch entsprechend zu verhalten! Keine Bilanz, kein wirtschaftliches Ziel, keine persönliche Vorliebe, nichts rechtfertigt, andere Menschen herabzusetzen und zu entwürdigen.  
  5. Jederzeit fair sein! Niemanden zu diskriminieren, dies klang bereits in den vorigen Punkten an. Doch zum fairen Verhalten gehört auch, so weit wie möglich fair hergestellte und gehandelte Produkte zu kaufen oder zu verwenden.

Hier schließt sich der Kreis der Nachhaltigkeitsdimensionen: Wir reden – neben Corona – viel über Klimawandel, Klimaschutzziele und ökologische Nachhaltigkeit. Doch Erfolg werden wir hier erst haben, wenn wir erkennen, dass alle Dimensionen der Nachhaltigkeit eng miteinander verzahnt sind. Wir müssen sie mit unserem Denken und Tun alle gleichzeitig adressieren.

Dr. Thomas Haas ist seit 2017 als Studien- und Projektleiter an der Akademie. Aktuell arbeitet er im Fachdienst Jugend ∙ Bildung ∙ Politik und ist im Themenbereich „Gesellschaft, Politik, Staat“ beheimatet.

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