Gewalt gegen Frauen – was können wir tun?

Ein Impuls von Studienleitern Dr. Carola Hausotter

© UN Women Deutschland

Seit dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, dem 25. November, sprechen wir von den „Orange Days“ – einer Kampagne der Vereinten Nationen, die auf die Gewalt aufmerksam macht, die Frauen weltweit widerfährt. Zwischen dem „Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen“ und dem Tag der Menschenrechte am 10. Dezember liegen 16 Tage. Aktionen und Veranstaltungen zielen darauf ab, über das zu informieren, was Frauen bei uns und in allen Ländern dieser Erde jeden Tag angetan wird. 
Aber die Intention geht noch weit darüber hinaus: Was sind die Ursachen der Gewalt und wie können wir dazu beitragen, dass sie endlich aufhört? Wo steckt strukturelle Gewalt hinter den Übergriffen auf Frauen, und wie ist es möglich, diese zu durchbrechen?

Wir brauchen mehr Präventionsmaßnahmen

In Mexiko sprechen die Menschen schon lange von Femiziden – 2007 forderte das Europaparlament die mexikanische Regierung auf, aktiver gegen die Morde an Frauen vorzugehen, die aufgrund der Tatsache begangen wurden, dass sie Frauen sind. Es hat sehr lange gedauert, bis Europa und Deutschland Tötungsdelikte an Frauen aus dieser Sichtweise kategorisiert haben. Heute wird diskutiert, ob in Deutschland ein spezifischer Straftatbestand eingeführt werden soll. 
Anwältinnen, die Frauen nach einer Gewalterfahrung zur Seite stehen, weisen darauf hin, dass neben der Strafverfolgung der Prävention eine mindestens ebenso hohe Bedeutung zukommen muss. Nur dann könne wirksam bekämpft werden, was uns das Bundeskriminalamt (BKA) am 19. November in seinem Bericht über geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten vor Augen geführt hat: Die Zahlen von Gewalttaten an Frauen steigen auf allen Ebenen. Wie ist das möglich? Und wie ist das einzuordnen? 
Das BKA nennt als eine mögliche Ursache:

„Eine Erklärung für den Ursprung dieser Gewalt und dem deutlichen Erstarken von einstellungsbezogener Hasskriminalität liegt in einer Ideologie der Ablehnung von Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit der Geschlechter. Diese kann als Bedrohung traditioneller Rollenbilder aufgefasst werden, denn eine Emanzipation von Frauen kann eine Bedrohung der wahrgenommenen „natürlichen Ordnung“ darstellen. Verstärkt wird dies durch den fortschreitenden gesellschaftlichen Wandel bezüglich Gleichberechtigung, welchen Menschen, die rigide an traditionellen Normen festhalten, als bedrohlich empfinden.“

Dekonstruktion von traditionellen Männlichkeitsbildern

Wir beobachten aktuell national wie international nicht nur ein erneutes Erstarken patriarchaler Denkweisen, sondern eine immer größere Anhängerschaft. Rechtspopulistische Parteien machen sie sich ebenso zu eigen wie erzkonservative Staatsmänner. 
Erst am 14. November votierte der dritte Hauptausschuss der UN-Generalversammlung 170 Länder für einen Resolutionsentwurf, der sich für die Beendigung aller Formen von Online-Gewalt gegen Frauen und Mädchen einsetzt. 13 Länder enthielten sich, darunter Iran, Russland, Nicaragua und Nordkorea. Argentinien stimmte als einziges Land dagegen. Die Vertreter des Landes argumentierten vor der UN, die Resolution enthalte zweideutige Begriffe wie „Hassrede“, „Fehlinformation“ und „Desinformation“, die „missbräuchlich“ zur Einschränkung der Meinungsfreiheit verwendet werden könnten.
Die Regierung unter Präsident Milei hat seit ihrem Amtsantritt am 10. Dezember 2023 den Kauf von wichtigen Gütern für den Zugang zur Abtreibung gestoppt, geschlechtsspezifische Formulierungen in offiziellen Dokumenten verboten und das Ministerium für Frauen, Geschlechter und Vielfalt ersetzt.
Der ultrakonservative Milei steht für eine weltweit erschreckende Tendenz, auf die wir aufmerksam machen, und der wir uns entgegenstellen wollen.

Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen 

Was wir brauchen, ist genau das Gegenteil: Nötig ist eine gesamtgesellschaftliche Haltung gegenüber der männlichen Gewalt gegen Frauen. Männlichkeitsbilder, die in alten Rollenbildern verhaftet sind, müssen dekonstruiert werden. 
Wichtig ist zudem, Geschlechterrollen schon in den Schulen zu hinterfragen und junge Mädchen und Frauen zu stärken: Wo fängt Gewalt an und welche Grenzen setze ich? 
Und wir sollten erkennen, dass wir in Deutschland zur strukturellen Gewalt gegenüber Frauen in anderen Ländern beitragen. Die Rohstoffe, die wir benötigen, werden oftmals unter menschenrechtsverletzenden Bedingungen abgebaut. Davon sind Frauen in einem besonderen Maß betroffen. Sie haben in zahlreichen Ländern schlechteren Zugang zu Bildung, es mangelt an Beschäftigung. Ihnen wird nicht selten die Würde genommen, ihre körperliche Integrität verletzt.
Wir werden in einer Veranstaltung am 3. Dezember über genau diese Problematik und auch die Verbindung zu Deutschland sprechen: Was müssen wir an unserem Konsum ändern, um nicht zu mehr Gewalt gegen Frauen in anderen Ländern beizutragen? Wie gehen wir mit Frauen um, die aus diesen Gewaltkontexten zu uns kommen und wie setzen wir in Deutschland Maßnahmen zur Prävention um, die uns Abkommen wie die Istanbul-Konvention des Europarats vorschreiben?
Diese und weitere Veranstaltungen sind Beiträge der Evangelischen Akademie Bad Boll, um auf die akute Gefährdungslage von Frauen bei uns und weltweit aufmerksam zu machen, aber auch, um für die Umsetzung von Lösungsansätzen zu werben. 


Thematische Veranstaltungen der Evangelischen Akademie Bad Boll: 

•    „Gewalt gegen Frauen weltweit“ 
•    „Stadt der Frauen. Wege zu einer gendergerechten und fürsorgenden Stadt“ 

Mediale Beiträge zum Thema: 


Dr. Carola Hausotter ist Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Bad Boll für „Friedensethik und Transkulturalität“. Einer ihrer Arbeitsschwerpunkte ist neben der staatlichen Entwicklungspolitik die Rolle von Zivilgesellschaft im globalen Kontext. Sie zeichnet für die Tagung „Gewalt gegen Frauen weltweit“ am 03.12.2024 verantwortlich. 
 

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