Es ist ein wichtiger politischer Meilenstein in der Geschichte der Menschenrechte durch den deutschen Bundestag beschlossen worden. Am 11. Juni 2021 kam es endlich zu 412 Ja-Stimmen aus den Reihen der Regierungsfraktionen der CDU/CSU und der SPD sowie der Oppositionsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen. Es war ein parlamentarisches und zivilgesellschaftliches Ringen mit Haken und Ösen und mit allem Drum und Dran des parlamentarischen Lobbyismus.
Aus meiner Sicht gibt es in Deutschland künftig eine unternehmens- und sozialethisch machbare und wirksame Regelung zum verbesserten Schutz der globalen Menschenrechte. Denn jetzt gibt es einen gesetzlichen Rahmen für die unternehmerische Verantwortung für Menschenrechte im globalen Netzwerk des Handels. Auch wenn Ethik gerne auf Freiwilligkeit baut, so ist doch nicht zu verkennen, dass ein gesetzlicher Rahmen eine schwierigere Hürde für die schwarzen Schafe der Branchen darstellen wird. Gemeint sind solche Unternehmen, die Kinder- und Sklavenarbeit in Kauf nehmen oder den Gesundheitsschutz und die Gewerkschaftsrechte bei Zulieferbetrieben nicht so wichtig nehmen.
Das neue deutsche Lieferkettengesetz setzt ab 2023 für etwa 600 Firmen mit mehr als 3000 Beschäftigten einen verpflichtenden Rahmen: Dieser Rahmen umfasst vor allem eine verpflichtende Risikoanalyse für mögliche Gefährdungen von Menschenrechten entlang der Handelsbeziehungen. Ab 2024 greift in einer zweiten Stufe das neue deutsche Menschenrechtsgesetz auch für die etwa 3000 Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten. Es ist für die Chancengleichheit im Wettbewerb auch gut, dass ebenfalls ausländische Unternehmen mit Zweigniederlassungen oder Tochterunternehmen in Deutschland einbezogen wurden. Betriebsräte müssen künftig darüber informiert werden, wie das Management das neue Gesetz umsetzt.
Wichtig ist auch eine aufmerksame Umsetzung dieser Regelungen. Eine entscheidende Rolle kommt dabei dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle zu. Es überprüft Verletzungen der Sorgfaltspflicht und kann je nach Schwere der Fälle und der Finanzkraft der Unternehmen mit Bußgeldern sanktionieren.
Was fehlt für eine noch wirksamere Abschreckung? Es fehlt noch eine zivilrechtliche Regelung, damit Unternehmen für Schäden haften, die sie durch eine Verletzung ihrer Sorgfaltspflichten verursacht haben.
Es ist ein Erfolg auch für die Initiative Lieferkettengesetz, die sich seit September 2019 zivilgesellschaftlich engagiert. Diese Initiative umfasst 130 Organisationen aus dem Bereich der Menschenrechts-, Entwicklungs-, Umwelt-, und Gewerkschaftsbewegung. Zu diesem Engagement gehört für viele Menschen auch ihre Verankerung im Glauben. Einzelne Christinnen und Christen, aber auch Kirchenleitungen und Kirchensynoden sowie kirchliche Gruppen wie der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt (KDA) in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg setzen sich für einen wirksamen Schutz der Menschenrechte ein. Dieses Engagement basiert auf einer Glaubenshaltung, die sich aus einer Liebe zu Gott und den Nächsten und biblischen Impulsen speist, so wie es die Losung aus dem Prophetenbuch Jesaja 33, 22 zum Ausdruck bringt: „Der HERR ist unser Richter, der HERR ist unser Meister, der HERR ist unser König; der hilft uns!“ Eine solche Haltung des Glaubens trägt auch im solidarischen Miteinander für das Erreichen der nächsten politischen Meilensteine in der Geschichte der Menschenrechte.
Karl-Ulrich Gscheidle ist Wirtschafts- und Sozialpfarrer beim Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt (KDA) in Reutlingen. Der KDA ist ein Fachdienst der Evangelischen Akademie Bad Boll in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg.