Das Leben in Zeiten des Corona-Virus

Welche Verantwortung zeigen die Akteure?

Medizinverkauf in Kamerun

Die Globalisierung zeigt zurzeit eine andere Seite als nur Wirtschaft und Wachstum. Denn der COVID-19 macht deutlich, dass sie anfällig ist für Krankheiten, die sich in einer rasenden Geschwindigkeit verbreiten und zur Pandemie werden.

Der Virus verunsichert uns. Und angesichts dieser akuten Bedrohung werden wichtige globale Herausforderungen ausgeblendet, wie Kriege, Klimakatastrophen oder die menschliche Tragödie, die sich mit den Flüchtenden in Griechenland abspielt.

Hier zu Lande steht derzeit der eigene Kontext im Vordergrund: Flüge und Urlaubsreisen werden storniert, Kneipen geschlossen und große Veranstaltungen werden abgesagt. Aber neben den Hamsterkäufen und dem Bedürfnis in Deutschland sich mit Unmengen von Toilettenpapier einzudecken, sind auch Zeichen der gemeinsamen Solidarität sichtbar. Junge Menschen fragen ältere, ob für sie eingekauft werden muss. Die Nachbarn und deren Wohlbefinden werden wahrgenommen, man will niemanden hinter sich lassen. Die Regierung schnürt Hilfspakete für die Wirtschaft.

Aber was tun die großen Wirtschaftsunternehmen, die von der Pandemie profitieren, wie die großen Lebensmittelhandelsketten, die Pharmaindustrie und andere? Brauchen wir nicht einen Solidaritätspakt, bei dem alle Akteure der Gesellschaft Verantwortung in Zeiten des Corona-Virus übernehmen? Die Existenz vieler Menschen ist durch diese Krise bedroht. Wo ist deren Auffangnetz? Es bedarf Kreativität und Solidarität, damit alle eine Chance bekommen.

Was spielt sich in Deutschland und Europa ab?

Es sind trotz der Schwere und der weitreichenden Konsequenzen der Krise viele positive Zeichen zu vernehmen: Die Nachbarschaftshilfe nimmt zu, die Menschen achten aufeinander. Es entstehen zivilgesellschaftliche Initiativen gegen die psychische Belastung und die Unsicherheit mit Gesang, Musik, z.B. das Spielen von „Ode an die Freude“ von den Balkonen, die gleichzeitig ein Bekenntnis zu Europa sind mit einer tiefgehenden Symbolik, die der „Freiheit“.  Die Kirchen läuten die Glocken als Symbol für Zusammenhalt und die Stärke des Glaubens. Und auch andere Religionen, die in Deutschland vertreten sind, rufen zu Solidarität und gemeinsamem Handeln auf.

Die „Freiheit“ ist in ihrer Umsetzung sehr komplex und kann nach dem zweiten Weltkrieg als eine der größten Errungenschaften in Westeuropa betrachtet werden. Die wichtigsten Freiheitsrechte sind: Diskriminierungsverbot, Recht auf Leben, Verbot der Folter und der unmenschlichen Behandlung, Verbot der Sklaverei, Gedanken- und Religionsfreiheit, Meinungsäußerungsfreiheit, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit, Schutz der Privatsphäre und des Familienlebens, Recht auf ein faires Gerichtsverfahren.

Die EU verkörpert und garantiert diese Rechte. Deshalb setzt deren Einschränkung in Krisenzeiten einen politischen und gesellschaftlichen Konsens voraus. Die Reflexion jedes einzelnen ist die Stärke, die wir in der EU haben, denn die Einschränkung der Freiheitsrechte kann auch sehr gefährlich sein. Auch in Krisen treten verschiedene Seiten zu Tage. Auf der einen Seite werden in schwierigen Zeiten von jedem Einzelnen Opfer abverlangt, auf der anderen geben sie uns die Möglichkeit, Solidarität auszudrücken, unabhängig von der sozialen Schicht, der Herkunft, dem Alter usw.

Humanismus in Krisenzeiten zu zeigen und die anderen wichtigen Herausforderungen nicht zu vergessen, ist unsere Aufgabe. Dies sind die universellen Werte, für die es sich lohnt, sich einzusetzen. Eine Errungenschaft, die die EU schmerzlich errungen hat. Wir sind alle zur Solidarität aufgefordert.

Und wie sieht es in Afrika, Asien und Lateinamerika aus?

Die Ansteckung mit COVID-19 macht nicht an den Grenzen Europas halt. Der Virus verbreitet sich in der ganzen Welt in einem rasanten Tempo. Auch die Regionen, in welchen es Kriege und Konflikte gibt und Menschen nur notdürftig medizinisch versorgt werden können, sind betroffen. Deren improvisierte Infrastruktur wird oft von den Akteuren der Konflikte zerstört und Menschen, die helfen könnten, erreichen die Region nicht.

Mehr als 400 Mio. Menschen weltweit haben keinen Zugang zu medizinischer Versorgung oder zu Unterstützungspaketen. Sollten wir nicht auch an diese Menschen denken? Schon die Agenda 2030 der Vereinten Nationen mit ihren 17 Zielen sieht vor, weltweit menschenwürdiges Leben zu schaffen. Wie können wir also schneller vorankommen und eine transnationale Zusammenarbeit stärken ganz im Sinne der Agenda 2030?

Hier spielen viele Akteure eine wichtige Rolle, sowohl Akteure der Zivilgesellschaft, der Wissenschaft, der Religionen und der migrantischen Organisationen als auch staatliche Akteure. Sie müssen zusammenkommen, Kooperationsmöglichkeiten aufbauen und gemeinsam Handlungsmöglichkeiten gestalten.

Wir werden von der Corona-Zeit – hoffentlich – einiges lernen und zukünftig eine kontextgerechte globale Basisgesundheitsversorgung gewährleisten müssen, vor allem im eigenen Interesse. Wir müssen verhindern, dass solch eine globale Krise außer Kontrolle gerät und dadurch viele Menschen aufgrund von Armut und Überforderung sterben müssen.

Vieles ist vom politischen Willen der unterschiedlichen Regierungen und deren gesundheitsrelevanten Entscheidungen abhängig. Deshalb muss die internationale Zivilgesellschaft Druck machen, damit nötige Maßnahmen im Sinne und zum Schutz der Bevölkerung umgesetzt werden. Es gibt noch immer Krankheiten wie Masern, Tuberkulose, Malaria oder Durchfall, die Tausenden Menschen in Afrika, Asien und Lateinamerika den Tod bringen. Dies können wir gemeinsam ändern und das Leben und die internationale Solidarität wieder ins Zentrum unserer Verantwortung rücken.
 

Mauricio Salazar ist Studienleiter für den Themenbereich „Kultur, Bildung, Religion“. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Frieden und Transkulturalität.

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