Am 28. Juli 2022 war die deutsche Außenministerin in Athen zu Gast. Anders als die meisten ihrer Vorgänger besuchte Annalena Baerbock bei ihrem Aufenthalt in Griechenland auch die Gedenkstätte am Ort der früheren NS-Stadtkommandantur, in der die deutschen Besatzer zwischen 1941 und 1944 tausende griechische Widerstandskämpfer*innen und Zivilisten festhielten und folterten und sie legte am Holocaust-Mahnmal Blumen nieder.
In ihrer Ansprache sagte die Ministerin, dass viele Deutsche Griechenland als Urlaubsziel kennen. Aber das die Geschichte der deutschen Okkupation Griechenlands von 1941 bis 1944 nur wenigen bekannt sei.
Ja! In der Erinnerungskultur der Bundesrepublik ist diese Geschichte ein blinder Fleck.
Die Gräueltaten von Wehrmacht und SS in Griechenland, die Massaker an Zivilisten und das Auslöschen ganzer Dörfer sind in Deutschland so gut wie vergessen – obwohl die Anzahl der zivilen Opfer im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung in keinem anderen der von der NS-Diktatur besetzten Länder so hoch war wie in Griechenland.
Diese Lücke in der deutschen Erinnerungskultur schließt der Historiker Dr. Vaios Kalogrias in seinem hier zu hörenden Vortrag.
Es handelt sich um einen Ausschnitt aus der Sommerklausur der Studienleitenden der Orthodoxen Akademie auf Kreta und der Evangelischen Akademie Bad Boll.
In einem von Erasmus+ geförderten Projekt beschäftigen sich die Studienleitenden der beiden Akademien in den kommenden beiden Jahren mit der Vielfalt nationaler historischer Narrative und Erinnerungskulturen in Europa – mit dem Schwerpunkt auf den unterschiedlichen Erinnerungskulturen in Deutschland und Griechenland bezogen auf die Zeit des Deutschen Besatzungsregimes 1941 – 1944 in Griechenland.
Mit Dr. Vaios Kalogrias konnte für einen einführenden Überblick über diese Geschichte einer der wenigen Experten in Deutschland zu diesem Thema gewonnen werden.
Dr. Vaios Kalogrias ist Lehrbeauftragter im Arbeitsbereich Zeitgeschichte des Historischen Seminars der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und Projektmitarbeiter des Stadt- und Stiftsarchivs Aschaffenburg.
Unter seinen vielen Veröffentlichungen zum Thema seien hier genannt:
- Okkupation, Widerstand und Kollaboration in Makedonien 1941-1944, 2008.
- Die Sicherheitsbataillone 1943-44. Hitlers griechische Armee, (in Vorbereitung)
Der Theologe Wolfgang Mayer-Ernst ist seit 2014 Studienleiter für den Themenbereich „Gesellschaft, Politik, Staat“ an der Evangelischen Akademie Bad Boll. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Politik und Recht.