Bad Boll / Kreis Göppingen - Die geplante neue EU-Richtlinie zum Schutz von Versuchstieren darf nicht verhindern, dass in Deutschland strengere Regeln gelten können als in anderen EU-Mitgliedsstaaten. Dies forderten die rund 130 Teilnehmenden einer Tierschutztagung vom 5. bis 7. März 2010 in der Evangelischen Akademie Bad Boll. Es müsse auch künftig möglich sein, mit Hilfe des deutschen Tierschutzrechts das Wohlergehen von Tieren zu verbessern.
In einer Resolution appellierten die Fachleute und Teilnehmenden an die Bundesregierung und den Bundestag, dafür Sorge zu tragen, dass in die geplante EU-Richtlinie tierschutzrechtliche Verbesserungen aufgenommen werden. So solle sie zum Beispiel keine Versuche an lebenden Tieren erlauben, sobald wissenschaftlich zufrieden stellende Alternativmethoden zur Verfügung stehen. Die Anerkennung und Zulassung solcher Methoden müsse beschleunigt werden. Ebenso sollten Verfahren ausnahmslos verboten werden, die mit schweren, voraussichtlich länger anhaltenden Schmerzen, Leiden oder Ängsten der Tiere einher gehen. Zudem wurde gefordert, alle Verfahren ethisch zu bewerten und erst dann zu genehmigen sowie zumindest die Hälfte der behördlichen Kontrollen in Zucht-, Liefer- und Verwendereinrichtungen unangekündigt durchzuführen.
Die Evangelische Akademie Bad Boll veranstaltet seit rund 20 Jahren Tagungen zum Thema Tierschutz. Bei diesen jährlichen Veranstaltungen kommen Fachleuten verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen, im Tierschutz Engagierte und Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Tierschutzverbände zusammen. Unter anderem beteiligt ist der Deutsche Tierschutzbund, der Bund Praktizierender Tierärzte, die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz, der Bund beamteter Tierärzte (BbT) und die Gesellschaft für Versuchstierkunde. Ziel der Tagungen ist es, moralische, ethische und rechtliche Fragen in Bezug auf Heim-, Nutz-, Wild- und Versuchstiere zu klären und deren Schutz und Wohlergehen zu fördern.
Resolution der Bad Boller Tierschutztagung 2010
(analog zu dem im Landesbeirat für Tierschutz im Ministerium für Ländlichen Raum Bad.-Württ. am 22.2.2010 gefassten Beschluss)
I.
Die Teilnehmer der vom 5. 7. März 2010 an der Evangelischen Akademie Bad Boll durchgeführten Tagung zu dem Thema »Belastung von Tieren was ist ethisch vertretbar?« fordern die Bundesregierung und den Bundestag mit sehr großer Mehrheit auf, dafür Sorge zu tragen, dass in die neue EU-Richtlinie zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere zumindest die folgenden tierschutzrechtlichen Verbesserungen aufgenommen werden, die bereits Gegenstand des von der EU-Kommission als Kompromiss zwischen Wissenschaft und Tierschutz am 5. November 2008 vorgelegten Richtlinienvorschlags waren:
- Genehmigungsvorbehalt für alle Verfahren, in denen lebende Wirbeltiere, Kopffüßler oder Zehnfußkrebse verwendet werden;
- Ethische Bewertung durch die zuständige Behörde als unabdingbare Voraussetzung für eine Genehmigung;
- Obligatorische Einbeziehung unabhängiger Dritter in diese Bewertung;
- Keine Versuche an lebenden Tieren, sobald wissenschaftlich zufrieden stellende Alternativmethoden zur Verfügung stehen; bei vorgeschriebenen Versuchen beschleunigtes Verfahren zur Anerkennung und Zulassung von Alternativmethoden;
- Ausnahmsloses Verbot von Verfahren, die mit schweren, voraussichtlich länger anhaltenden Schmerzen, Leiden oder Ängsten der Tiere einher gehen;
- Uneingeschränkte Geltung der Haltungs- und Pflegeanforderungen aus Anhang A des Europäischen Versuchstierübereinkommens;
- Obligatorisches Zulassungsverfahren für alle Personen, die an Verfahren mit lebenden Wirbeltieren, Kopffüßlern oder Zehnfußkrebsen teilnehmen wollen;
- Festlegung, dass zumindest die Hälfte der behördlichen Kontrollen in Zucht-, Liefer- und Verwendereinrichtungen unangekündigt durchgeführt werden muss;
II.
Nach einhelliger Meinung ist von besonderer Bedeutung, dass in der Richtlinie in einem speziellen Artikel entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip (Art. 5 des EU-Vertrags) und dem Vorschlag des Europäischen Parlaments vom 4./5. Mai 2009 klar gestellt wird, dass die Mitgliedstaaten nicht daran gehindert werden, auch nach dem Inkrafttreten der Richtlinie strengere Regelungen zu beschließen und anzuwenden, die auf die Verbesserung des Wohlergehens und des Schutzes der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere abzielen.