Das Titelbild der neuen Denkschrift des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zeigt eine junge Frau mit Sonnenbrille, die auf ihren Laptop-Bildschirm schaut und auf der Tastatur tippt. Ihre Beine hat sie entspannt über ein Geländer hochgelegt. In ihrem Blickfeld ist das weite Grün einer Waldlandschaft zu sehen. Sie scheint ihre mobile Laptop-Aktivität auf der Terrasse ihres Refugiums zu genießen. Auf den zweiten Blick wird auch eine Abfolge von Piktogrammen erkennbar: Betende Hände, ein WLAN-Zeichen, eine Kerze, ein Kreuz, ein geöffnetes Sicherheitsschloss, ein Einkaufswagen.
Was soll die Bildgestaltung symbolisieren? Was will die EKD zeigen? Verweist das Bild auf eine souverän gestaltbare digitale Welt der neuen Freiheiten? Was bringt die neue Denkschrift inhaltlich?
Das Vorwort des EKD-Ratspräsidenten Bischof Heinrich Bedford-Strohm setzt mit den Worten ein: „Digitale Technologie gehört zu unserem Alltag.“ Es benennt die Zielsetzung: „Der Rat verbindet damit die Hoffnung, dass dieser Text Anschluss an öffentliche, wissenschaftliche und innerkirchliche Diskurse findet und dabei erkennen lässt, welche Positionen und Sichtweisen der evangelischen Kirche wichtig sind.“
Mit der Bildsymbolik der jungen Frau mit Sonnenbrille und Laptop scheinen die evangelischen Positionen und Sichtweisen auf Anhieb ins Auge zu springen. Doch sitzt der Mensch in Zeiten des digitalen Wandels tatsächlich so entspannt und souverän vor seinem mobilen Endgerät? Ora et labora vor der Kulisse einer offenen Landschaft?
Wie ist diese Denkschrift aufgebaut?
Sie bewegt sich im Rahmen der Zuordnung von Freiheit aus Glauben und der daraus erwachsenden Verantwortung für die Lebens- und Arbeitswelt. Und sie konzentriert sich auf die Zehn Gebote als orientierendes Schema evangelischer Ethik. Das Aufzählen der Zehn Gebote folgt der reformierten Tradition und Zählweise, mit dem Bilderverbot nach Exodus 20,4 an zweiter Stelle: Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Abbild machen. Als Leitgedanke des Gebotes steht der erläuternde Satz dabei: „Für Identitätsbildung und freie Solidarität in digitalen Bilderwelten offen bleiben.“
Immer wieder erhebt die Denkschrift auch ihren kritischen Diskursansatz in der Begleitung des digitalen Wandels: „Soll die Datensouveränität der Nutzenden gewahrt bleiben, müssen sie besser als bisher ihre digitale Identität selbst verwalten können. Dafür sind freiwillige Maßnahmen der datenverarbeitenden Unternehmen und Organisationen genauso nötig wie gesetzliche Regulierungen.“
Der Stil der Betrachtungen wechselt zwischen wissenschaftlicher Fachsprache und dem Duktus eines um Verständlichkeit bemühten Erwachsenenkatechismus. Insofern versucht der Text öffentlich, wissenschaftlich und innerkirchlich diskursfähig zu sein. Die Denkschrift liest sich allerdings nicht so locker, wie das Titelbild suggeriert. Sie braucht die intensive Bereitschaft zur biblisch-theologischen Reflexion und zur differenzierten Auseinandersetzung mit der digitalen Transformation. Es werden daher wechselnde Körperhaltungen bei der Lektüre nicht ausbleiben, aufrecht sitzend vor dem Desktop-Bildschirm und der Printversion oder wie bei dem Titelbild der jungen Frau mit Sonnenbrille, locker die Beine hochgelegt mit dem Laptop auf dem Schoß, vor der Kulisse eines inspirierenden Waldpanoramas.
Der Text der Denkschrift ist auf der EKD-Website zu finden www.ekd-digital.de. Dort gibt es weitere Informationen und Veranstaltungshinweise zur Denkschrift. Als Printausgabe liegt auch ein Taschenbuch der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig 248 Seiten zu 9,00€ bereit.
Karl-Ulrich Gscheidle ist Wirtschafts- und Sozialpfarrer beim Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt (KDA) in Reutlingen. Der KDA ist ein Fachdienst der Evangelischen Akademie Bad Boll in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg.