Pflege zu Hause in Corona-Zeiten

Ein aktueller Überblick und hilfreiche Tipps für Betroffene

c Ingrid Klein

Wir alle sind vom Kontaktverbot betroffen, wir sollten nur in dringenden Fällen nach draußen gehen um Erledigungen zu tätigen. Die Schule ist geschlossen, ebenso alle Kultur- und Bildungseinrichtungen. Familien arrangieren sich mit Homeoffice und Schularbeiten zu Hause. Die Versorgungssituation in Krankenhäusern, Pflegeheimen und bei ambulanten Pflegediensten rückt verstärkt in unser Blickfeld.

Die Begleitung, Betreuung und Pflege von Menschen zu Hause stellen Familien vor besondere Herausforderungen. Wie viele Menschen sind von dieser Situation betroffen? In der Regel gibt es eine sogenannte Hauptpflegeperson: die Ehefrau, der Ehemann, die Tochter. Die Hauptpflegeperson wird im Idealfall von Familienmitgliedern und Freunden unterstützt. An der Pflege entsprechend mehrere Personen beteiligt.

Zahlen vom Statistischen Landesamt Baden-Württemberg (2017):

  • Pflegebedürftige Menschen – insgesamt: 398.612 Personen
  • Pflegebedürftige Menschen, die zuhause leben: 302.290 Personen
  • Pflegebedürftige Menschen, die ausschließlich von ihren Angehörigen betreut und gepflegt werden: 226.987 Personen                                                     
  • Pflegebedürftige Menschen, die von ihren Angehörigen mit Unterstützung eines Pflegedienstes betreut und gepflegt werden: 75.303 Personen
  • Pflegebedürftige Menschen, die im Pflegeheim leben: 96.181 Personen

In Baden-Württemberg leben ca. 11 Millionen Menschen. In der Statistik nicht enthalten sind Menschen mit Behinderung und Menschen, die keinen Pflegegrad haben, aber trotzdem Begleitung und Unterstützung – ein sich kümmern – benötigen.

Auswirkungen von Corona auf die Pflege

Die Pflege und Betreuung hat für pflegende Angehörige in „normalen“ Zeiten bereits belastende Aspekte. Doch wie geht es den Familien aktuell? Welche Unterstützung findet nicht statt? Welche Schwierigkeiten ergeben sich daraus? Was gibt es für Unterstützungsmöglichkeiten?

Denn die Tagespflege, Betreuungsgruppen für Menschen mit Demenz oder ehrenamtliche Besuchsdienste haben ihren Betrieb eingestellt. Die zu Pflegenden sind zu Hause, Kinder, Enkel und Freunde können nicht zu Besuch kommen.

Der Bedarf an stationärer Pflege steigt, wenn die Versorgungsformen zu Hause ausfallen, wenn die Pflegeperson in Quarantäne muss, die Hilfskraft aus Osteuropa nicht kommen kann, wenn die Situation sich zu Hause verschlechtert und nicht mehr bewältigbar ist. Die Pflegeheime sind am Limit ihrer Möglichkeiten oder haben einen Aufnahmestopp.

Die Situation von pflegenden Angehörigen, die nicht im Haushalt des zu Pflegenden wohnen, ist eine besondere Herausforderung: 11% der pflegenden Angehörigen leben mehr als 100km entfernt und 23% leben mehr als 25 km von ihren pflegebedürftigen Eltern entfernt, nur 12 % leben im selben Haus oder Haushalt. (Wagner M, Franke A, Otto U. Pflege über räumliche Distanz hinweg 2019). Hier sind Schutzmaßnahmen für alle Beteiligten extrem wichtig.

Menschen mit Demenz verstehen nicht, warum „alles anders ist“.  Das zeigen auch Aussagen von Angehörigen, die mit der Alzheimer Gesellschaft Baden-Württemberg in Verbindung stehen:

„Meine Mutter kann nicht mehr telefonieren, wir können überhaupt keinen Kontakt mehr halten, ich weiß nicht mal, wie es ihr geht, das lässt mich verzweifeln.“

„Seit mein Mann nicht mehr in die Tagespflege gehen kann, will er ständig aus dem Haus. Er würde aber nicht mehr zurückfinden. Wenn ich ihn nicht gehen lasse, reagiert er zunehmend aggressiv. Ich bin einfach ratlos.“

Unterstützung und Hilfestellung durch Dienste, Gesellschaften etc.

Die ehrenamtlichen Helfer_innen von Besuchsdiensten (Hilfsvereine, Diakonie, Caritas usw.) halten Kontakt per Telefon und sie schreiben Briefe. Einkaufshilfen werden angeboten. Beratungsangebote sind per Telefon zu erreichen, ebenso die Pflegestützpunkte. Hausärzte_innen tun ihr Möglichstes, können Hausbesuche wegen fehlender Schutzkleidung jedoch nur in reduzierter Form durchführen.

Die Alzheimer Gesellschaft gibt hilfreiche Tipps und Beratung www.alzheimer-bw.de.

Die Leistungen der Pflegeversicherung halten die Möglichkeit vor, bei Versorgunglücken im ambulanten Bereich eine Kostenerstattung für eine anderweitige Versorgung zu beantragen. https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/pflegeversicherung/richtlinien__vereinbarungen__formulare/empfehlungen_zum_leistungsrecht/2020_03_27_Pflege_Corona_Empfehlungen_150_Abs5_SGB_XI.pdf

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (bagso) hat zum Schutz und zur Sicherung der häuslichen Pflege in der Corona-Pandemie Vorschläge formuliert. Vereinfachte Verfahren in der Handhabung von Leistungen der Pflegeversicherung, finanzielle Absicherung von nicht berufstätigen Pflegepersonen und Schutzmaßnahmen für die pflegebedürftigen Menschen und deren Angehörigen, sowie die Absicherung von berufstätigen pflegenden Angehörigen. https://www.bagso.de/spezial/aktuelles/detailansicht/ambulante-pflege-braucht-unterstuetzung/

Es wird auch im Bereich der häuslichen Pflege deutlich, dass Schwierigkeiten und Unwägbarkeiten im System in einer Krise doppelt zu Buche schlagen. „Ich hoffe und wünsche mir, dass Politik und Gesellschaft für die Belange von pflegenden Familien und Gemeinschaften eintreten. Die pflegenden Angehörigen haben eine schwache Lobby und sind wenig bis gar nicht organisiert. Entdecken Sie in ihrem Umfeld die Sorgen und Nöte von pflegenden Angehörigen, geben Sie ihnen ihre Stimme“, darauf hofft Petra Kümmel, Studienleiterin im treffpunkt 50plus in Stuttgart.

Petra Kümmel ist Gerontologin und Lehrerin für Pflegeberufe sowie Studienleiterin im treffpunkt 50plus. Der treffpunkt 50plus in Stuttgart ist die erste Adresse für Bildungs- und Kulturarbeit mit älteren und für ältere Menschen

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