Um Europas Grenzen und die skandalösen Menschenrechtsverletzungen bei der Abdrängung von Flüchtlingen an den Außengrenzen der Europäischen Union hätte es eigentlich in diesem Beitrag gehen sollen.
Doch nun sind wir an diesem 24. Februar 2022 „in einer anderen Welt aufgewacht“.
Fassungslos mussten wir heute Morgen vernehmen, dass die Grenzen eines souveränen Staates mitten in Europa von Armeen überschritten wurden und die Ukraine mit Krieg überzogen wird.
Es ist unfassbar. Denn trotz des wochenlangen russischen Säbelrasselns hofften wir auf eine friedliche Lösung des Konfliktes.
Wurde nicht alles versucht? Gab es nicht genügend diplomatische Bemühungen?
Aber offenbar haben wir doch zu sehr auf die verlogenen Beteuerungen des russischen Präsidenten Putin, er plane keine Invasion, vertraut und auf die Vernunft der russischen Regierung gesetzt.
Aber jetzt ist Krieg die böse Realität. Mitten in Europa.
Kein kleiner Grenzkrieg, sondern eine groß angelegte Invasion russischer Truppen in die Ukraine.
Es ist unfassbar. Es macht sprachlos und traurig.
Menschen in der Ukraine sterben, fliehen, sind in Angst und Not. Verbringen die Nacht in den U-Bahn-Stationen Kiews und Charkiws.
Die Reaktionen aus den Hauptstädten der EU und der USA bestehen aus deutlichen Worten und Sanktionen, die womöglich auch uns ein wenig schmerzen werden.
Noch aber fließt das Gas aus Russland, noch bekommen wir russisches Öl.
Ob die Sanktionen etwas bewirken werden? Bei einem Diktator, der eindeutig imperiale Ziele zu verfolgen scheint?
Aber welche anderen Reaktionen könnten diesen Wahn stoppen?
Denn militärische Reaktionen würden ja nur eine weitere Eskalation und Ausweitung des Krieges bedeuten. Militärische Gegenschläge würden noch mehr Tod und Leid über die Menschen bringen.
Was dann? Was tun?
Das Mindeste: nochmals analysieren, wie es so weit kommen konnte.
Nochmals kritisch darüber nachdenken, ob militärische Bündnissysteme und deren Ausdehnung wirklich dem Frieden dienen.
Nochmals kritisch darüber nachdenken, ob der Nationalismus im 21. Jahrhundert noch staatenbildend sein muss. Denn der Umgang mit den russischsprachigen Minderheiten in der Ukraine wie in anderen postsowjetischen Staaten entsprach und entspricht nicht unbedingt dem in der EU propagierten Schutz von Minderheiten.
Kritisch auch darüber nachdenken, ob es richtig war, zum Wohle der Wirtschaft einen Präsidenten zu hofieren, der zunehmend eine liberale und demokratische Gesellschaft verachtete und die Menschenrechte verletzt.
Hier sollten wir uns dafür einsetzen, dass das Thema der Menschenrechte wirklich ein Pfeiler europäischer Außenpolitik wird.
Und wir sollten uns wohl etwas intensiver mit Osteuropa beschäftigen. Seinen Menschen und seiner Geschichte, dem Reichtum seiner Kultur und der Zivilgesellschaft dort. Denn diese gibt es. In der Ukraine wie in Russland.
Wir sollten alles unterstützen, was diese Zivilgesellschaft stärkt, was Demokratie und Freiheit fördert – und uns nicht immer vornehmlich darum sorgen, dass die Öl- und Gaspreise steigen könnten.
Auch die guten Kontakte mit den Kirchen in Osteuropa sollten wir stärken und im Gespräch bleiben – auch über kritische Themen wie den Nationalismus und den Umgang mit Minderheiten.
Und aktuell sollten wir klar und deutlich den Menschen in der Ukraine zur Seite stehen. Die Flüchtenden gut aufnehmen. Den Krieg dort nicht wieder gleich vergessen.
Und dort, wo wir uns hilflos fühlen, für die Menschen in der Ukraine – und in Russland – beten.