Bad Boll/Reutlingen. Prof. Dr. Monika Barz hat von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland verliehen bekommen. Damit würdigte er die herausragenden Leistungen von Monika Barz für das Gemeinwesen. Barz hat sich seit vielen Jahren für die Wahrnehmung und Emanzipation lesbischer Frauen in Kirche und Gesellschaft verdient gemacht. Die offizielle Verleihung des Ordens findet 2018 statt. Am vergangenen Samstag (16.12.2017) haben die Teilnehmer_innen im Rahmen der diesjährigen Lesbentagung die Gelegenheit genutzt, um auf diese Ehrung miteinander anzustoßen.
„In den 1980er Jahren war die lesbische Lebensform in der Evangelischen Kirche allgemein, aber auch an den Evangelischen Akademien ein Tabu und ein möglicher Kündigungsgrund“, erläuterte die Laudatorin Dr. Irmgard Ehlers. 1985 fand in der Evangelischen Akademie Bad Boll unter der Federführung der Studienleiterin Dr. Herta Leistner sowie der beiden ehrenamtlich tätigen, Monika Barz und Ute Wild erstmalig im kirchlichen Raum eine Tagung für lesbische Frauen statt. Als erste kirchliche Mitarbeiterinnen brachen sie öffentlich das Schweigen um die Realität lesbischer Existenz in den Kirchen. „Ihr Mut hat Tausenden von Frauen geholfen, ihr Doppelleben in der Kirche zu überdenken und zu verändern“, sagte Studienleiterin Irmgard Ehlers: „Sie hat außerdem vielen kirchenfernen lesbischen Frauen Möglichkeiten eröffnet, neue positive Erfahrungen mit Spiritualität und Kirche zu machen.“ Die Tagung sei zum Grundstein für eine Tagungsserie geworden, die bis heute ihre kirchenpolitische und gesellschaftspolitische Strahlkraft behalten hat.
1987 veröffentlichten die drei Frauen die erste Untersuchung über lesbische Frauen in der Kirche. „Ihr Buch ‚Hättest Du gedacht, dass wir so viele sind? Lesbische Frauen in der Kirche’ gilt lesbischen Frauen bis heute als Stütze für ihre eigenen emanzipatorischen Schritte“, betonte Irmgard Ehlers. Den vielen bis dahin versteckt lebenden lesbischen Frauen ermöglichte die Veröffentlichung erstmalig die Möglichkeit, sich zu informieren und zu lesen, dass es andere Frauen in ähnlicher Situation gibt. Es eröffnete darüber hinaus innerhalb kirchlicher Frauenverbände ein intensives Gespräch über die Vielfalt von Lebensformen und verbreiterte das gegenseitige Verständnis.
Das Buch und die Tagungen wirkten wie eine Initialzündung im ganzen deutschsprachigen Raum: Die Tagungen wurden zu einem geschützten Raum, an dem lesbische Frauen in den Kirchen Netzwerke und politische Formen der Solidarität entwickeln konnten. So fanden Netzwerke, wie die LUK (Lesben und Kirche), die MuM (Maria- und Martha Netzwerk), Labrystheia und NKL (Netzwerk katholischer Lesben) in Bad Boll ihren Ursprung.
Neben ihren zahlreichen wissenschaftlichen Fachpublikationen zu frauen- und sozialpolitischen Fragestellungen hat sich Monika Barz kontinuierlich in lesbenpolitischen Zusammenhängen ehrenamtlich engagiert und publiziert. So gab sie 1997 gemeinsam mit der Pastorin Geertje-Froken Bolle „Göttlich lesbisch – Facetten lesbischer Existenz in der Kirche“ und 2005 gemeinsam mit der Sozialpädagogin Eva-Maria Garber und der Pfarrerin und Studienleiterin der Evangelischen Akademie Bad Boll, Carmen Rivuzumwami „Geträumt, gewagt, gelebt. Boller Anfänge der kirchlichen Lesbenbewegung 1985-2005“ heraus. Für den Kirchentag in Stuttgart wurde sie 2013 von der Kirchentagsleitung in Fulda in die Projektleitung für das Regenbogenzentrum berufen.
Ihr ehrenamtliches lesbenpolitisches Engagement reicht weit über die kirchlichen Zusammenhänge hinaus. Sie hat von Anfang an die Sicherung der Menschenrechte lesbischer Frauen im weltweiten Maßstab im Blick gehabt. Seit 2011 leistet sie als Mitbegründerin des Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg einen umfangreichen Beitrag zum Aufbau des Netzwerkes in Baden-Württemberg. Sie ist Mitglied im Beirat „Für Akzeptanz & gleiche Rechte Baden-Württemberg“, der vom Sozialministerium zur fachlichen und politischen Begleitung des Aktionsplanes „Akzeptanz und gleiche Rechte“ einberufen wurde. Sie stand in Ihrer Funktion als Mitglied des Sprechendenrates des Netzwerkes LSBTTIQ den Verantwortlichen im Sozialministerium in vielen Situationen zur Seite, wenn es darum ging, innerhalb der Verwaltung Verständnis für die Anliegen der LSBTTIQ Menschen zu schaffen und umgekehrt innerhalb der LSBTTIQ Community um Verständnis für die erforderlichen politischen Prozesse in der Ministerialverwaltung zu werben.
Monika Barz hat den Mut, gegen eine Jahrhundert hinweg andauernde Tradition von Verfolgung und Diskriminierung lesbischer Lebensformen anzugehen und durch ihr öffentliches und persönliches Engagement zum Prozess des Sichtbarwerdens von lesbischen Frauen beizutragen und ihnen in Kirche und Gesellschaft Gehör zu verschaffen. „Sie riskierte in den 1980er Jahren durch ihr ehrenamtliches lesbenpolitisches Engagement ihre damalige berufliche Position als pädagogische Mitarbeiterin an der Heimvolkshochschule Loccum“, hob Irmgard Ehlers hervor: „Auch heute fürchtet sie weder persönliche noch berufliche Nachteile, wenn es gilt die Verwirklichung der Menschenrechte lesbischer Frauen klar und öffentlich zu fordern.“
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