In der Evangelischen Landeskirche in Württemberg und an der Evangelischen Akademie Bad Boll ist er kein Unbekannter. Denn seit zehn Jahren ist der Theologe Dr. Dietmar Merz bereits als Studienleiter an der Akademie tätig. Sein Arbeitsschwerpunkt: Medizinethik und Gesundheitspolitik. Parallel dazu war er bis Herbst 2023 zu 50 Prozent Studienleiter am Evangelischen Pfarrseminar Stuttgart-Birkach.
Seit Januar 2024 hat Dietmar Merz nun Monika Appmann (stellv. Direktorin) als kommissarische Leitung der Evangelischen Akademie Bad Boll abgelöst. Letztere hatte seit dem Weggang von Prof. Dr. Jörg Hübner ab Juni 2023 die Geschicke der Akademie gemeinsam mit der Direktion gelenkt. Als neuer kommissarischer Direktor komplettiert Dr. Dietmar Merz mit seiner theologischen Fachkompetenz nun wieder das Direktorium.
Im Gespräch mit Dr. Dietmar Merz über seine temporäre leitende Funktion, die Herausforderungen dieser „Zwischenzeit“ und seinen Wunsch für die Akademie:
Seit Januar 2024 haben Sie die Leitung der Akademie inne, bis die Stelle – so die Planung der Landeskirche – ab diesem Herbst neu besetzt ist. Wie kam es dazu, dass Sie die Interimsdirektion übernahmen?
Nach dem Weggang von Jörg Hübner (Juni 2023) war die Stelle des/der Theolog*in in der Direktion vakant, die in besonderer Weise die Akademie als Einrichtung der Evangelischen Landeskirche in Württemberg widerspiegelt. Als absehbar war, dass die Interimszeit länger dauern würde, wollte man diese „Lücke“ schließen. Als landeskirchlicher Pfarrer unter den Studienleitenden habe ich diese Rolle zunächst im Status einer ständigen Mitgliedschaft im Direktorium übernommen, ab Januar 2024 wurde dies verstetigt und ich zum kommissarischen Direktor mit einem Dienstumfang von 50% berufen.
Worin sehen Sie Ihre Aufgabe bis zur Neubesetzung? Was sind die besonderen Herausforderungen für diese „Zwischenzeit“?
Bei unseren Tagungen und Veranstaltungen thematisieren wir oft gesellschaftliche Transformationsprozesse. Auch uns als Landeskirche und Akademie hat nun ein großer Veränderungsprozess erfasst. Ich erhoffe mir, dass wir es miteinander schaffen, in guter Weise die gegebenen Herausforderungen anzunehmen und die anstehenden Veränderungen anzugehen. Ich wünsche mir, dass uns dies in Achtsamkeit, Respekt und in einer Atmosphäre des gegenseitigen Vertrauens gelingt. So gut ich kann, will ich das Meine für einen Weg in diesem Sinne tun.
Sie bleiben weiterhin auch in Ihrer Funktion als Studienleiter tätig, wenn auch mit reduziertem Umfang. Wie lassen sich beide Aufgaben bewältigen?
In der Tat ist es eine gewisse Herausforderung, mit einem kleinen Anteil im Dienstauftrag (25%) auch noch den Bereich „Medizinethik und Gesundheitswesen“ umzutreiben. Das geht nur mit einer Reduktion auf Kernthemen und Schlüssel-Veranstaltungen, vor allem aber durch die vorbildliche Unterstützung der Mitarbeitenden in diesem Themenfeld. Ich halte es darüber hinaus für eine interessante Konstellation, neben der Leitungsverantwortung auch noch im praktischen Tagungsgeschäft unterwegs zu sein. Das kann helfen, die operative Ebene gut im Blick zu haben.
Konnten Sie in dieser kurzen Zeit bereits im Gefüge der Direktion Ihre Rolle finden?
Meines Erachtens ist es uns gelungen, in der Kürze der Zeit, die uns zur Verfügung steht, in eine gute Zusammenarbeit zu kommen. Die Aufgabe der Akademieleitung im Team wurde ja auch vor meiner Zeit ausgeübt. Ich durfte aufspringen und wurde freundlich aufgenommen. Für Vieles gibt es bewährte Abläufe und Absprachen. Anderes haben wir dem Interim geschuldet neu überlegt, bewertet und ausgerichtet. Unsere Rollen sind geklärt und vom Grundgedanken gegenseitiger Ergänzung und Wertschätzung getragen.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Akademie?
Die jüngste Untersuchung zur Kirchenmitgliedschaft (KMU) hat gezeigt, dass Glaube und Kirche zwar zunehmend kritisch gesehen werden, dass es aber zugleich eine starke Erwartung an Christinnen und Christen gibt, bei gesellschaftlichen Fragen und Entwicklungen verantwortlich mitzudenken und mitzuwirken. Ich bin davon überzeugt, dass es für eine Kirche der Zukunft wichtig ist, nicht nur Räume zur Pflege von Glaube und Innerlichkeit zu eröffnen, sondern auch Räume für notwendige Diskurse im Wandel der Zeit. Der sonntägliche Gottesdienst ist nur glaubwürdig, wenn zu ihm ein Gottesdienst im Alltag der Welt hinzutritt. Aber das ist keine neue Erkenntnis: Mönche lebten dies als ora et labora, Luther sprach davon, den Glauben ins Leben zu ziehen und Karl Barth meinte, theologische Existenz heute brauche in der einen Hand die Bibel und in der anderen die Zeitung. Das versuchen wir im Rahmen der Akademie zu leben. Ich bin froh, dass die evangelische Landeskirche in Württemberg das würdigt und ein klares Ja für die Zukunft der Akademie ausgesprochen hat.