Wer trägt die Last der deutschen Energiewende?

Expertenrunde zur sozialen Ungleichheit in den Anden

Große Vorkommen von Lithium lagern in der Andenregion. Das Material wird unter anderem für die Batterien in Elektrofahrzeugen nachgefragt. Doch führt der Abbau der Ressourcen nicht zu mehr sozialer Ungleichheit vor Ort? Wer trägt die Last der deutschen Energiewende? Um diese Fragen ging es bei einer Expertenrunde im Rahmen der Veranstaltung „Rohstoffabbau in Bolivien und Peru - eine Gefahr für Mensch und Natur“ (20./21. Juni 2024, Welthaus Stuttgart).

Export von Rohstoffen ist gesellschaftlicher Konsens

Prof. Dr. Barbara Göbel vom Ibero-Amerikanischen Institut spricht in dem Zusammenhang von der „Globalisierung der Natur“, die in Lateinamerika wie unter einem Brennglas sichtbar wird. So trägt Lateinamerika einerseits nur wenig zum Klimawandel bei, ist aber andererseits direkt davon betroffen. Gleichzeitig verfügt die Region über Rohstoffreserven, die für die Energiewende wichtig sind, und Landflächen für Agrarproduktion.

Das Wirtschaftsmodell in der Andenregion basiert seit langem auf dem Export von Rohstoffen. Laut Göbel ist das gesellschaftlicher Konsens, trotz der negativen Folgen des Abbaus. Warum ist das so? Durch den Export von Rohstoffen generiert der Staat Einnahmen, die er in Form von Sozialleistungen und Infrastruktur wieder ausgeben kann. „Dieser Mehrwert ist jedoch nur kurzfristig.“ Untersuchungen zeigen, dass zwar die Armut in vielen Ländern abnimmt, die strukturellen Ungleichheiten aber bestehen bleiben. „Lateinamerika, insbesondere die Andenregion, ist eine der Weltregionen mit der höchsten sozialen Ungleichheit.“ Göbel verweist dabei auf den Zielkonflikt von ökonomischem Wachstum, Nachhaltigkeit und sozialer Gerechtigkeit.

Aktuell steigt der Rohstoffabbau stark an, getrieben vor allem von den Märkten in Asien. Dadurch nehmen auch sozial-ökologische Konflikte stark zu. Positiv sei zu sehen, dass sich neue Netzwerke und Allianzen bilden. „Die zivilgesellschaftlichen Organisationen sind in der Andenregion traditionell sehr stark.“ Allerdings ist das politische System instabil. Problematisch sind laut der Ethnologin die Machtasymmetrien zwischen den Bergbauunternehmen und den lokalen Leadern.

Umweltschäden durch die Energiewende

Antonio Zambrano, ehem. Koordinator der peruanischen Klimaschutzbewegung Mocicc, weist in seinem Statement vor allem auf die Dimensionen der Energiewende und deren negative Folgen hin. Heute fahren in Deutschland ca. eine Million Elektroautos. Bis zum Jahr 2030 sollen es bereits 15 Millionen sein, für deren Batterien Lithium benötigt wird. Für ein Windrad brauche es 4,7 Tonnen Kupfer. Die Investitionen in erneuerbare Energien haben sich in den letzten Jahrzehnten vervielfacht. Angesichts nach wie vor steigender CO2-Emissionen weltweit wirft Zambrano die Frage auf, ob die Energiewende den Klimawandel überhaupt stoppen soll, oder ob es darum geht, neue Märkte zu erschließen und die Ausbeutung fortzusetzen. Auch nach 500 Jahren Kolonialismus bestünden die großen Ungleichheiten fort. Er weist auf die großen Umweltschäden durch den Rohstoffabbau hin, zum Beispiel beim Abbau von Kupfer. Viele Minen werden illegal betrieben, Menschenrechte werden verletzt. „Die Energiewende ist auch ein ökologischer und sozialer Wandel.“

Lieferkettengesetz als eine Antwort

Zur Energiewende sieht Göbel jedoch keine Alternative. „Wir müssen aus den Dilemmata den besten Weg finden.“ Ebenso sieht das der Bundestagsabgeordnete Jürgen Kretz. Die Energiewende sei ein Interessenskonflikt, sowohl innenpolitisch als auch weltweit. „Die Frage ist, wie wir das umsetzen. Wir müssen das gut managen.“ Eine Antwort auf die Problematik sei das Lieferkettengesetz. Auch faire und nachhaltige Partnerschaften seien wichtig. Die Diversifizierung der Lieferketten nennt Kretz als weiteren Punkt. Zentral sei außerdem, weniger Ressourcen zu verbrauchen, zum Beispiel durch Kreislaufwirtschaft und Recycling. „Unser jetziges Wirtschaftsmodell ist nicht nachhaltig, wir leben über unsere Verhältnisse.“

Göbel fordert mehr Debatten. „Wir müssen unterschiedliche Positionen aushalten.“ Auch mehr wissenschaftlicher Austausch sei wichtig. Einig sind sich alle bei einem Punkt: Man müsse jetzt handeln.

Zur Gesamtdokumentation der Tagung "Rohstoffabbau in Bolivien und Peru - eine Gefahr für Mensch und Natur"

 

© Phillipp Holl
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