Städte für Menschen – statt für Autos!

Eine Mobilitätswende für Baden-Württemberg

In kaum einer anderen Region dieser Welt sind die Gegensätze so sichtbar und erlebbar wie hier. Dieses Bundesland profitiert seit Jahrzenten von den großen Automobilbauern und ihren zahlreichen Zulieferern in diesem Land. Der gesellschaftliche Wohlstand auch von uns Kirchen steht in einem direkten Zusammenhang zum wirtschaftlichen Ergehen der Automobilwirtschaft und der Maschinenbauer in dieser Region. Und zugleich wird immer mehr Menschen auch bei uns deutlich: So kann es und so wird es nicht weitergehen.

Nicht nur die erlebten Staus in der Landeshauptstadt und der Streit um sauberere Luft bis hin zu Fahrverboten, auch die nüchternen Zahlen weisen uns auf eine andere Zukunft hin. 

Die Bundesregierung hatte 2016 beschlossen für den Verkehrssektor die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2030 um 40% zu senken. Bezogen auf das Basisjahr 1990 bedeutet das 1% pro Jahr. Man könnte denken, ein leichtes Ziel 1% pro Jahr. Doch bundesweit sind wir diesem Ziel in den ersten 30 Jahren leider keinen Schritt nähergekommen. Die Reduktion des CO2-Ausstoßes im Verkehrsbereich ist Null.

Und für Baden-Württemberg ist es noch schlimmer. Dort sind die CO2-Emissionen in den letzten 30 Jahren sogar um 12% gestiegen. So kann es nicht weitergehen: Wir benötigen eine Mobilitätswende auch in unserem Land.

In der Studie Mobiles Baden-Württemberg aus dem Jahr 2017 wird eine Reduktion der PKWs für dieses Bundesland bis 2050 von 6 Millionen auf 1 Million vorgeschlagen. Wie würden unsere Städte und Kommunen aussehen, wenn die vielen „Stehzeuge“ nicht mehr den öffentlichen Raum prägten? Wir brauchen ein neues, ein positives Narrativ!

Die Erzählung „Freie Fahrt für freie Bürger“, die den Ausbau des motorisierten Individualverkehrs auf vier Rädern verkündete, ist aus dem letzten Jahrhundert. Sie ist veraltet und nicht mehr zukunftsweisend.

Wir brauchen eine neue Erzählung, die von einer anderen Freiheit erzählt: Ich wünsche mir Städte und Ortschaften, in denen meine Enkel sich frei bewegen können, in denen sie völlig selbstverständlich allein und ungefährdet zur Schule gehen können, und nicht auf ein Elterntaxi angewiesen sind. Das ist Freiheit.

Ich stelle mir Innenstädte vor, in denen sich alte Menschen gerne aufhalten, in denen sie gemütlich auf einer Bank sitzen und den Vögeln lauschen, statt vom Verkehrslärm zugedröhnt zu werden. Das ist Freiheit.

Ich stelle mir eine Mobilität vor – mit schadstofffreien Fahrzeugen – die uns unbeschwerte Luft zum Atmen gibt. Das ist Freiheit.

Aber wie kommen wir da hin? Wir benötigen ein breites Bündnis von möglichst vielen gesellschaftlichen Akteuren. Denn die Menschen, die Autos entwerfen, konstruieren und bauen, sind zugleich auch Bewohner_innen von lauten Straßen oder haben Kinder, die keinen sicheren Schulweg haben. Oder sie sind Eltern von Kindern, die auch in 30 Jahren noch gut leben wollen auf diesem Planeten.

Deshalb brauchen wir alle gesellschaftlichen Akteure für diese Mobilitätswende: die Mobilitätsverbände und die Umweltverbände, die Kommunen und das Land, die Autobauer und die Gewerkschaften. Wir benötigen die Gewerkschaften, damit ein Wandel von einer Automobilwirtschaft hin zu einer Mobilitätswirtschaft gelingen kann. Es soll weiterhin gute und gutbezahlte Arbeit geben. Aber die muss es nicht nur im produzierenden Gewerbe geben. Wir werden in Zukunft andere Arbeitsplätze benötigen und haben. Beim derzeitigen Stand sind diese aber in der Regel schlechter bezahlt. Das muss und darf nicht so bleiben. Und es könnte eine harte gesellschaftliche Auseinandersetzung geben um die Verteilung der Einkommen.

Deshalb brauchen wir diese breite Allianz, damit wir möglichst viele Menschen in unserem Land für diese Wende mitnehmen können. Wir brauchen diese breite Allianz, denn wir haben einen mächtigen Gegner: das alte Narrativ „immer größer, immer schwerer, immer stärker, immer schneller“. Unsere Städte und unsere Ortschaften halten das nicht mehr aus. Und vor allem unser Klima hält da nicht aus.

Dieses alte Narrativ sitzt in den Köpfen – auch in unseren Köpfen  und da muss es raus. Wir brauchen eine neue Erzählung. Wir brauchen andere Fahrzeuge, kleinerer und leichtere, mehr Car-Sharing und Ride-Sharing. Und vor allem weniger vierrädrige Fahrzeuge. Den Zweirädern gehört die Zukunft. Schon jetzt gibt es über 5 Millionen E-Bikes in Deutschland. Das ist die Elektromobilität, die wir vorrangig benötigen!

Seit einigen Monaten gibt es diese Allianz: Mobilitätswende für Baden-Württemberg. Sie fordert eine Milliarde Euro mehr, für Bus, Bahn, Rad und Fußverkehr. 

Eine Milliarde mehr pro Jahr in den Landeshaushalt, damit eine umweltfreundlichere Mobilität gefördert werden kann. D.h. Vorfahrt für den Öffentlichen Verkehr, Ausbau von Fuß- und vor allem Radwegen. Unsere Städte und Kommunen sollen ein anderes ein menschenfreundlicheres Gesicht bekommen. Denn wir wollen: Städte für Menschen – statt für Autos!

Romeo Edel ist Wirtschafts- und Sozialpfarrer beim Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt (KDA) in der Prälatur Stuttgart. Der KDA, ein Fachdienst der Evangelischen Akademie Bad Boll, ist Teil der Allianz von umwelt- und verkehrspolitischen Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften, kirchlichen Institutionen und vielen Einzelpersonen, organisatorisch angegliedert an den Verkehrsclub Deutschland (VCD). 

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