Unsere Gesellschaft wandelt sich in diesem Jahrtausend mit unglaublicher Geschwindigkeit. Vieles war vorhersehbar, manches zu vermuten und manches nicht vorstellbar.
Vorhersehbar war und ist, dass sich die Arbeitswelt völlig verändert und dass ein sehr hoher Prozentsatz der Beschäftigten in allen Branchen in den 2020er und 30er Jahren in den Ruhestand gehen werden.
Daraus ergeben sich persönliche und gesellschaftliche Herausforderungen. Die Mehrheit der Menschen, die in diesem oder im nächsten Jahrzehnt in den Ruhestand gehen – freiwillig oder gezwungenermaßen – haben die längste Zeit ihres Lebens mit bezahlter Arbeit verbracht. Sie haben sich über die Arbeit definiert und daraus Anerkennung sowohl monetär, persönlich als auch sozial gezogen. Dies gilt in überwiegendem Maße für Männer, aber zunehmend auch für Frauen.
Was kommt nun im neuen Lebensabschnitt, der weitere 20 bis 30 Jahre dauern kann?
Ideen und Vorstellungen hat diese Generation meist in umfangreichem Maße. Aber die Realisierung und die Umstellung des Alltags von Arbeit auf Ruhestand gestalteten sich mitunter schwieriger als gedacht.
Hier einige Themenstellungen:
- es gilt eine neue Tagesstruktur zu entwickeln
- es gibt plötzlich mehr Zeit für soziale Beziehungen
- der Kontakt zu den Kolleg_innen fehlt
- es bleibt mehr Zeit, auf die eigene Gesundheit zu achten
- da ist Zeit für Reisen
- mehr Zeit für die Enkel
- Zeit für bürgerschaftliches Engagement
Wer weiterhin über ein komfortables Einkommen verfügt, kann auch auf breiter Basis frei wählen was sie oder er tun möchte. Die Gruppen derer, die aus prekären Beschäftigungsverhältnissen kommen, oder Zeiten mit Arbeitslosigkeit oder der Kindererziehung verbracht haben. Ihnen steht nicht die ganze Welt offen. Es besteht aber trotzdem die Möglichkeit, die Dinge tun zu können, die Spaß machen, die frau auf die lange Bank geschoben hat, oder die man neu entdeckt.
Hinzu kommt für viele, dass an dieser Zäsur des bisher gewohnten Lebens auch deutlich wird, ich muss mehr vom Ende her denken. Bisher wurden Zielmarken anders gesetzt, auf Entwicklung und Weiterkommen. Jetzt ist die Frage: Wie gestalte ich mein Leben mit Blick auf meine Endlichkeit. Was wird mir wichtig, was will ich weitergeben, was soll von mir einmal zurückbleiben auf dieser Erde?
Die Gerontologie, die Alters- oder Alternswissenschaft, nennt dies Gerotranszendenz. Es geht um Fragen, des Umgangs mit der Schöpfung, der Mitgestaltung von Politik und Gesellschaft, der Weitergabe von Wissen und Traditionen.
Mit diesem Blick auf den neuen Lebensabschnitt lassen sich neue Perspektiven eröffnen, die eine spannende Herausforderung sind und diesen Lebensabschnitt lebendig und dynamisch gestalten. Immer nach dem Motto: ich darf, ich kann, muss aber nichts.
Die Diplom-Gerontologin/Alterswissenschaftlerin Ursula Werner ist Studienleiterin im treffpunkt 50plus. Der treffpunkt 50plus in Stuttgart ist die erste Adresse für Bildungs- und Kulturarbeit mit älteren und für ältere Menschen und bietet Menschen an der Schwelle zum Ruhestand die Möglichkeit, sich in einem Seminar diesen Fragen zu stellen und sich individuell mit den eigenen Optionen auseinanderzusetzen.