Zum Tod von Pfarrer i. R. Dr. h. c. Friedrich Schorlemmer

von Wirtschafts- und Sozialpfarrerin Kathinka Kaden

© Attribution: Bundesarchiv, Bild 183-1989-1104-038 / Link, Hubert / CC-BY-SA 3.0

Friedrich Schorlemmer war mir immer ein Begriff, auch wenn ich ihn persönlich nicht kennengelernt habe. Immer, wenn sein Name fiel, habe ich ihn für einen „Guten“ gehalten. Einen guten Theolo-gen, einen guten, aufmerksamen Zeitgenossen, einen guten beeindruckenden Akademiekollegen an der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt. Er hat politisch mit- und vorgedacht, und sich ein-gemischt. Er war an der Gesellschaft, in der wir alle leben, so interessiert, wie ich es mir für noch viel mehr Theolog*innen wünsche. 

Wenn ich mir heute zum Beispiel den Kinofilm „Zwei zu eins“ (2024) über die Zeit der Wiederverei-nigung anschaue, so erkenne ich in Schorlemmers Aussagen eine hohe prophetische Qualität: An-statt einer bloßen „Übernahme“ der DDR durch die BRD hatte er dafür plädiert, ein Deutschland zu schaffen, das Elemente beider Staaten in einem gemeinsamen demokratischen Prozess integriert. Er kritisierte den „Sieger“-Duktus, den er bei vielen westdeutschen Politiker*innen und Bür-ger*innen wahrnahm sowie die Dominanz westdeutscher Eliten in den neuen Bundesländern. Die ostdeutschen Perspektiven und Identitäten hätten, da bin ich sicher, weit stärker berücksichtigt werden müssen. So wurde der wirtschaftliche und soziale Anschluss an die Bundesrepublik nicht sorgfältig genug gestaltet. Eine tiefgehende, gleichberechtigte Annäherung der beiden deutschen Staaten und ihrer unterschiedlichen Systeme, so wie Schorlemmer es vorgeschlagen hatte, blieb aus. Die sozialen Ungleichheiten und wirtschaftliche Unsicherheit waren für viele Ostdeutsche enorm. Die Folgen daraus sind meines Erachtens heute noch sehr spürbar. Eine gerechte und wirk-lich geeinte deutsche Gesellschaft ist noch nicht erreicht. Dieses Ziel, für das sich Friedrich Schor-lemmer immer eingesetzt hat, bleibt für mich seine Wegweisung auch für meine Arbeit an der Evangelischen Akademie in Bad Boll.

Pfarrer i. R. Dr. h. c. Friedrich Schorlemmer war ein evangelischer Theologe mit weitreichendem politischem Engagement. Von 1992 bis 2007 war er Studienleiter an der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt. Friedrich Schorlemmer starb Anfang September 2024 im Alter von 80 Jahren. 


Seit 2023 ist Kathinka Kaden Wirtschafts- und Sozialpfarrerin beim Kirchlichen Dienst in der Ar-beitswelt (KDA) in Ulm. Der KDA ist ein Fachdienst der Evangelischen Akademie Bad Boll in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg.
 

Kontakt

Alexander Bergholz

Alexander Bergholz

Referent Kommunikation & Marketing

E-Mail an: Alexander Bergholz

Tel.: 07164 79-312

Johanna Haas

Johanna Haas

Referentin Kommunikation & Marketing

E-Mail an: Johanna Haas

Tel.: 07164 79-245

Miriam Kaufmann

Miriam Kaufmann

Referentin Kommunikation & Marketing

E-Mail an: Miriam Kaufmann

Tel.: 07164 79-300