Nun ist es so gekommen, wie manche befürchtet, manche gehofft und einige Wahlforscher*innen prognostiziert haben. Der neue Präsident der USA ist ein alter Bekannter.
Mit der Wahl von Donald Trump geht ein in dieser Zuspitzung nie da gewesener Wahlkampf zu Ende.
Noch nie wurden so viele falsche Behauptungen, Verunglimpfungen von Minderheiten und Andersdenkenden sowie Drohungen gegen die politischen Mitbewerber*innen bedient wie dieses Mal.
Zurück bleibt ein Land in großer Spaltung und eine verunsicherte Welt.
Wie geht es jetzt weiter?
Welche Auswirkungen wird diese Wahl auf die Wirtschaft, den freien Handel, auf Exportnationen, das Kräfteverhältnis in der Welt, den Fortbestand der NATO, die Verteidigung und Sicherheit Europas, auf Energiewirtschaft und Klimawandel haben?
Welche Zukunft erwartet die USA, die nach wie vor die sogenannte westliche Welt anführt und über die größte und modernste Armee der Welt verfügt? Kehrt nun Vernunft ein? Finden Politiker*innen und Gesellschaft in Nordamerika zusammen?
Ich persönlich gehe nicht davon aus, dass der neue Präsident über Nacht ein anderer Mensch wird. Mich sorgt vielmehr, dass sein radikaler Politikstil und seine verachtende Rhetorik in der Welt Schule machen: Je unverfrorener, je demagogischer, je respektloser umso erfolgreicher. Politisch Andersdenkende werden als zu vernichtende Feinde erklärt. Frei erfundene Behauptungen werden zur Realität, man muss sie nur oft genug wiederholen.
Übereinstimmung zu suchen, Kompromisse zu schließen, Perspektivwechsel zu vollziehen, einer Vielfalt an gesellschaftlichen Akteuren*innen Raum zu geben, Niederlagen zu akzeptieren, anderen die Sorge um das Gemeinwohl zuzugestehen, Unabhängigkeiten zu bejahen von Justiz und Presse – all das sind Grundlagen von Demokratie und von freiheitlichen Rechtstaaten.
Politische Kultur und Vertrauen
Eine politische Kultur guter Vielstimmigkeit braucht die Atmosphäre des Vertrauens und die innere Freiheit, das eigene Ego, die eigenen Überzeugungen und Interessen zu relativieren bzw. in Relation zu anderen Meinungen setzen zu können.
Das aktuelle Scheitern der Ampel-Regierung in Deutschland mag auch in dieser Hinsicht Ursachen haben. Hinzu kommt, dass der politische Ton in Deutschland rauer, ruppiger und radikaler wird. Besonders in den Sozialen Medien werden Hass und Vernichtungsfantasien ungebremst ausgelebt. Droh-E-Mails und Shitstorms gehören für Politiker*innen inzwischen leider zum Alltag. Unterwegs bei Veranstaltungen und Kundgebungen müssen sie durch die Polizeikorridore geschützt werden. Nicht wenige haben auch schon tätliche Angriffe erlebt.
Für mich sind das nicht nur einzelne Entgleisungen. Ich befürchte vielmehr einen schleichenden Prozess der Verrohung, der insgesamt den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährdet.
Diskurs und Respekt sind gefragt
Auch hartes Ringen und kontroverse Diskussionen setzen die Achtung der Würde und der Lebensrechte anderer voraus. Dialog und Diskurs gelingen, wo Gespräche als respektvolle Begegnungen gelebt werden, wo Mitmenschlichkeit und zentrale Fundamente des Zusammenlebens bejaht und geschützt werden. Für einen konstruktiven Diskurs braucht es die Bereitschaft zur selbstkritischen Reflexion und zum differenzierten Blick und die Bereitschaft, auf andere zuzugehen und miteinander zu suchen, wie das Leben auf dieser Welt gestaltet werden kann.
„Probleme für die Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt entstehen… nicht durch Kontroversen und Dissens an sich…, sondern vor allem dann, wenn Meinungsverschiedenheiten durch Diskriminierung, Ausschluss, Hass, Hetze oder Überwältigung nicht ausgesprochen und ausgetragen werden können“, heißt es im neuen Grundsatzpapier der Evangelischen Akademien in Deutschland (Diskurskultur und politische Bildung, S.9).
Die Evangelischen Akademien widmen sich genau diesem Schmerzpunkt: In einer Zeit der Transformation wollen sie die Sachargumente im Blick behalten und die Vielfalt der Positionen respektieren. Sie wollen Räume eröffnen, in denen unterschiedliche oder entgegengesetzte Interessen, Widersprüche, ungleiche Machtpositionen und plurale Identitäten auf Augenhöhe formuliert und verhandelt werden können. „Diese Form des Diskurses ermöglicht Horizonterweiterungen, mutet einem aber auch zu, Kritik und Ambiguität auszuhalten – eine Fähigkeit, die erlernt und geübt werden muss. Produktiver Streit… kann dazu beitragen, sich gemeinsamen politischen Zielen anzunähern, und damit Motor einer gelingenden Transformation zu sein“ (Diskurskultur und politische Bildung, S.10).
Der Theologe Dr. Dietmar Merz ist seit Januar 2024 interimistischer Direktor der Evangelischen Akademie Bad Boll. Bereits seit zehn Jahren verantwortet er als Studienleiter den Themenbereich „Kultur, Bildung, Religion“ mit den Arbeitsschwerpunkten Medizinethik und Gesundheitspolitik.