Würde das Land Berlin seinen gesamten Immobilien-Besitz verkaufen, könnte mit dem Erlös gerade mal zwei Jahre lang der Kreditzins bezahlt werden. Danach wäre noch kein Cent der Schulden getilgt, die Stadt aber um wesentliche politische Gestaltungsmöglichkeiten ärmer. Insgesamt werden im Jahr 2007 Bund, Länder und Gemeinden rund 66 Milliarden Euro an Zinsen bezahlen. Das sind 13,5 Prozent der geschätzten Steuereinnahmen - ein gigantischer Umverteilungsprozess von den öffentlichen in private Hände, und – so scheint es – von der unteren Gesellschaftshälfte zu den oberen zehn Prozent.
Am gesellschaftlichen Nutzen dieser Prozesse hat selbst der Banker, Ökonom und Unternehmensberater Prof. Prabhu Guptara seine Zweifel. Er ist einer der Hautredner der Tagung »Tabuthema Zinsen« zu dem die Evangelische Akademie Bad Boll am 5./6. März einlädt. Der gebürtige Inder, bekennende Hindu und derzeitige Ko-Direktor des Kongresszentrums einer Schweizer Bank plädiert für eine Ökonomie der Nachhaltigkeit. In der Bankenwelt ist er eher ein Unikum. Denn Zinsen, das soll mit dem Tagungstitel signalisiert werden, sind für die meisten Ökonomen unhinterfragbares Element volks- und betriebswirtschaftlicher Prozesse.
Auf dieser Tagung wird das Thema Zinsen anhand verschiedener Themenkomplexe kontrovers behandelt. Mit dem katholischen Sozialethiker Prof. Dr. Friedhelm Hengsbach werden verteilungspolitische Wirkungen diskutiert, Dr. Ayyub Axel Köhler informiert über Instrumente des »Islamic Banking«, die dem Zinsnahmeverbot im Islam entsprechen. Zur Debatte stehen wird das Pro und Contra von Zinsen in der Vergangenheit und heute, ebenso die Frage, welche Faktoren zu wirtschaftlichem Wachstum beitragen und ob dieses Wachstum eher erwünscht oder erzwungen ist.
