Bad Boll/Kreis Göppingen - Scherben und alte Knochen versetzen Thilo Fitzner in helle Aufregung. Die Archäologie ist eine Leidenschaft des Studienleiters an der Evangelischen Akademie Bad Boll. Deshalb fühlt er sich auch dem Deutschen Evangelischen Institut für Altertumswissenschaft des Heilige Landes (DEI) sehr verbunden. Und so war es ihm eine Selbstverständlichkeit, sich für die Gründung eines Fördervereins für dieses Institut zu engagieren, die Mitte Juli auf der Berliner Museumsinsel zu Füßen des Pergamonfrieses vollzogen wurde.
Mehr als 400 Gäste waren zu der Vereinskonstitution gekommen, 50 Persönlichkeiten aus Kirche, Wissenschaft, Kultur, Wirtschaft und Politik haben die Gründungsurkunde unterzeichnet. Besonders stark vertreten waren Persönlichkeiten aus der Württembergischen Landeskirche. Aus der Evangelischen Akademie Bad Boll zählt Direktor Joachim L. Beck neben Thilo Fitzner zu den Förderern der ersten Stunde. Mit dabei sind außerdem Landesbischof Frank Otfried July, Oberkirchenrat Ulrich Heckel und Prälatin Gabriele Wulz.
Thilo Fitzner weiß, dass sich mit dem Spaten die Wahrheit des Evangeliums nicht beweisen lässt, dass archäologische Fundstücke aber sehr wohl dazu beitragen, biblische Geschichten besser zu verstehen. Deshalb ist er überzeugt, dass es »zu den ureigensten Aufgaben der Kirche und damit der Akademie zählt«, sich mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Kontexte der Bibel zu beschäftigen und dieses Wissen zu diskutieren.
In die Tiefe zu graben und sorgfältig die verschiedenen Kulturschichten abzutragen, hat für ihn aber auch eine fast spirituelle Dimension. Mehrfach hat er im Rahmen seiner Akademietätigkeit Reisen zu Grabungsstätten im Nahen Osten organisiert und ging mit den Teilnehmern den Archäologen tatkräftig zur Hand. Dabei ist ihm aufgefallen: Wer sich durch Staub der Jahrtausende arbeitet, ist auch mit den Grundfragen der eigenen Existenz konfrontiert. Daraus, so berichtet Fitzner, haben sich oft Gespräch über religiöse Themen entwickelt.
Dass die Archäologie aber auch Anlass zu theologischen und politischen Kontroversen gibt, ist dem 58 jährigen Religionspädagogen wohl bewusst. Aus evangelikaler Sicht nährt eine nüchtern wissenschaftliche Herangehensweise unzulässig Zweifel an der wörtlichen Gültigkeit der biblischen Überlieferung. Israelis und Palästinenser versuchen durch Grabungskampagnen historische Ansprüche auf ihre Siedlungsgebiete zu begründen.
Vor diesem Hintergrund lobt Fitzner die solide und unparteiische Arbeit des DEI. Mit seinem Sitz auf dem Tempelberg in Jerusalem sei es geradezu zu einem »dritten Ort« geworden, wo auf der Basis fachlicher Diskurse Begegnungen stattfinden, die in der politischen Welt nicht möglich sind. Darauf nimmt auch der Gründungsaufruf für den DEI-Förderverein ausdrücklich Bezug. In dem Papier heißt es, mit seiner Arbeit verbinde das Institut Kulturen und Religionen, ermögliche den Austausch über Grenzen hinweg und schaffe Verständnis in einer spannungsreichen Region.
In diesem Geist will nun auch Thilo Fitzner an der Evangelischen Akademie Bad Boll eine Tagungsreihe zur Biblischen Archäologie aufbauen. Ein erster Termin steht bereits fest. Vom 27. bis 29. November 2009 plant Fitzner in Bad Boll eine internationale Konferenz und hat schon jetzt eine Riege renommierter Referenten beisammen, die nicht nur in der Fachwelt Aufmerksamkeit verdienen: Nach Bad Boll kommen u. a. der Schweizer Ägyptologe und Siegel-Sammler Othmar Keel, der Mitarbeiter am »Tübinger Atlas für den Mittleren Osten« Hanswulf Bloedhorn, der Direktor des DEI in Jerusalem und Amman Dieter Vieweger, und der Direktor des Archäologischen Instituts der Universität von Tel Aviv, Israel Finkelstein.
Zwei Mal jährlich soll die Evangelische Akademie Bad Boll nach Fitzners Vorstellungen zum Forum von Archäologen und interessierten Laien werden. Für das nächste Jahr ist eine Tagung vorgesehen, bei der die politische Situation in Galiläa zur Zeit von Jesus im Mittelpunkt stehen wird. Im Herbst 2010 geht es um das brisante Thema »Raubgrabungen«.
Aber auch jenen, die sich archäologische Aktivitäten lieber vor Ort anschauen, hat Thilo Fitzner etwas zu bieten. Von 25. Okt. bis 8. Nov. veranstaltet er eine Studienreise nach Saudi Arabien. Besichtigt wird u. a. Taima, wo einst Nabonid herrschte, Al Ula/Dedan, wo die Minäer eine Handelskolonie unterhielten, und Medain Salih/Hegra, wo die Nabatäer ein Klein-Petra mit großartigen Felsfassaden schufen. (-uw)