Wie wollen wir in den letzten Stunden unseres Lebens begleitet werden? Was können wir für unser Sterben wollen? Soll es die Möglichkeit eines assistierten Suizids geben? Diesen schwierigen Fragen haben sich rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer am vergangenen Wochenden (13./14.06.2015) an der Evangelischen Akademie Bad Boll gestellt.
Zu Beginn erläuterte die Göppinger Bundestagsabgeordnete Heike Baehrens die vier sogenannten „Gruppenanträge“ zu einer gesetzlichen Regelung von Sterbehilfe-Organisationen. Sie reichen von einem weitgehenden Verbot bis zur eingeschränkten Zulassung. Schnell wurde deutlich, dass in Bad Boll die Meinungen so vielfältig sind wie in Berlin, man aber auch mit der gleichen Sorgfalt und dem gleichen Respekt vor der Meinung des Anderen das Thema erörtern will.
Die Position der Diakonie in Württemberg und die Konzeption der Evangelischen Heimstiftung zur Sterbebegleitung in ihren Häusern gehen davon aus, dass die Heiligkeit des Lebens und die unveräußerlichen Werte eines jeden Lebens handlungsleitende Motive sein müssen. Die zum Teil extremen Sterbesituationen in Kliniken wiederum zeigen, dass es mitunter um sehr individuelle Notlagen geht, die man schlecht schematisieren und in Regeln einpassen kann. „Wer einem Menschen schwerstes Leid ersparen möchte, der fällt kein Urteil über dessen Wert (…), der steht vielmehr in größtem Respekt vor dem Leben bei und sucht in aller Fehlbarkeit zusammen mit dem Betroffenen einen Weg“, meinte das Vorstandmitglied der Ärztekammer Nordwürttemberg, Dr. med. Udo Schuss. Einen garantiert schönen Tod gebe es auch bei Suizidbeihilfe nicht und die Zunahme an Alterssuiziden ohne medizinische Indikation lassen aufhorchen, gab die mit dem Schweizer Forschungsprogramm „Lebensende“ beauftragte Züricher Juristin Prof. Dr. Brigitte Tag zu bedenken.
Für Deutschland, so der Tenor der Tagung, müsse es um ein Gesetz gehen, das die richtigen Signale setze für eine Gesellschaft des Miteinanders und eine Zukunft, in der auch das Schwache einen geschützten Platz habe. Dazu bedürfe es weiterer Anstrengungen, wie etwa der breiten gesellschaftlichen Akzeptanz von Pflege oder der angemessenen Refinanzierung von Palliativversorgung. Der Soziologe Reimer Gronemeyer spitzte das Anliegen in seinem Abschlussvortrag zu: „Wir müssen an einer Gesellschaft arbeiten, die mehr bietet als den Zwang zur individuellen Selbstoptimierung, die jetzt auch schon die Sterbesituation erreicht hat.“