Bad Boll / Kreis Göppingen - Dem Thema Stadtentwicklung und Urbanität widmete sich die Tagung »MicroMega« am Wochenende (10./11.07.09) in der Evangelischen Akademie Bad Boll. Prof. Dr. Franz Pesch von der Universität Stuttgart plädierte eindringlich dafür, die Dimension der Nachhaltigkeit zu einem wesentlichen Bestandteil der Stadtentwicklung zu machen. Dabei reiche es nicht aus, Modellprojekte zu fördern. »Wir müssen Nachhaltigkeit im Bestand erreichen«, sagte der Professor für Stadtplanung und forderte zugleich eine Neuorientierung der Kommunalpolitik. Zu einem neuen Konzept der Urbanität gehöre außerdem, das Wohnen und Arbeiten in die Innenstädte zurück zu holen. Ebenso sprach sich Pesch für eine »Belebung des öffentlichen Raumes« aus. Damit schaffe man nicht nur ein Symbol für die städtische Mitte, sondern erspare sich auch den Einsatz aufwendiger Überwachungseinrichtungen.
Dass die kommunale Kriminalprävention und das subjektive Sicherheitsempfinden von Maßnahmen der Stadtentwicklung profitieren können, betonte auch Dr. Sven Fries vom Büro Stadtplanung (Ostfildern). Am Beispiel eines Projekts in Speyer zeigte er, dass durch integrierte Konzepte, ein hohes Maß an Beteiligung und die Kooperation mit Polizei und Wohnbaugesellschaften ein sozialer Brennpunkt wirksam entschärft werden konnte. Neben der Umgestaltung von Hauseingängen und Spielplätzen sowie dem Bau eines Bürgertreffs und Mehrgenerationenhauses habe sich die Umwidmung von Miet- in kostengünstige Eigentumswohnungen als besonders effektiv erwiesen.
Die Stuttgarter Kulturbürgermeisterin Dr. Susanne Eisenmann hob auf der Tagung hervor, dass auch eine prosperierende Stadt ohne eine mit dem Ort verwurzelte Stadtgesellschaft nicht in die Zukunft geführt werden könne. Für diese Identifikation seien Kulturangebote unerlässlich. Die Bürgermeisterin zeigte sich überzeugt, dass es in der Stuttgarter Kommunalpolitik über die herausragende Bedeutung städtischer Kulturaktivitäten einen Grundkonsens gäbe, der auch angesichts heraufziehender Haushaltsnöte nicht in Frage gestellt werde.
Die Pläne der Stuttgarter Universität, ihre geisteswissenschaftlichen Angebote zu reduzieren, bezeichnete Eisenmann als einen großen Fehler. »Für die Stadt Stuttgart wäre dies ein verheerender Standortnachteil«. Sie hoffe sehr, sagte die Bürgermeisterin auf der Tagung, dass auch die Universitätsspitze inzwischen begriffen habe, dass es gerade auf das Miteinander der verschiedenen Fakultäten ankomme.
Im Projekt »Stuttgart 21« sieht Eisenmann eine »Jahrhundertchance« für die Stadtentwicklung, bei der auch kulturelle Elemente nicht zu kurz kommen sollten. So plane die Landeshauptstadt nach Fertigstellung des Tiefbahnhofs auf den freiwerdenden Gleisflächen neben der Bibliothek 21 eine neue Philharmonie und ein Völkerkundemuseum. Die Kulturbürgermeisterin machte keinen Hehl daraus, dass sich die »Funktionalität der Bankenarchitektur« hinter dem Stuttgarter Bahnhof nicht in dem neuen Stadtquartier widerspiegeln dürfe. Bei der Errichtung dieser Gebäude habe man erkennbar die »emotionale Bedeutung der Stadtkultur nicht in den Fokus genommen«. Das Projekt »Stuttgart 21« werde deshalb auch nur gelingen, sagte Eisenmann, »wenn die Bürgerinnen und Bürger konstruktiv beteiligt werden.«
Bei der Tagung handelte es sich um eine Kooperationsveranstaltung der Evangelischen Akademie Bad Boll mit der »Wirtschaftsgilde Evangelischer Arbeitskreis für Wirtschaftsethik und Sozialgestaltung«. (-uw)