Das Schulsystem in Deutschland steckt nach Ansicht des Bildungsexperten und Redakteurs der Berliner »tageszeitung« (taz) Christian Füller in eine schweren Krise. »Kein OECD-Land produziert so viele Krisenschüler«, sagte Füller am Mittwoch (23.4.2008) auf einer Tagung in der Evangelischen Akademie Bad Boll. Schuld daran seien »knausrige Etats« und »organisierte Verantwortungslosigkeit«.
An vielen Hauptschulen im Lande herrsche »Resignation, Verzweiflung und Apathie«, erklärte der Journalist vor den rund 80 Tagungsteilnehmern, die sich in Bad Boll über Fundraisingkonzepte für öffentliche und private Schulen informierten. Der Zustand von Schultoiletten, »versiffte« Treppenhäuser und »lieblose« Schulhöfe sind für Füller Indizien für die Achtlosigkeit, mit der die nachwachsende Generation behandelt werde.
Dies sei nicht nur ein »unwürdiges Schauspiel«, sondern kennzeichne ein Bildungssystem das untauglich sei für die Zukunft. Schon heute sei das Qualifikationsniveau der 35 bis 64-Jährigen höher als das der 19 bis 35-Jährigen. Füller rechnete vor, dass in Deutschland jährlich 50 Milliarden Euro mehr für die Bildung ausgegeben werden müssten, wenn man denselben Anteil am Bruttosozialprodukt erreichen wollte wie in Norwegen. Und trotz des Pisa-Schocks seien die Aufwendungen für die Bildungshaushalte in Deutschland zwischen 2002 und 2005 inflationsbereinigt um 5 Milliarden Euro gekürzt worden.
Einen entscheidenden Grund für diese Defizite sieht Füller »in der vollkommen fragmentierten Zuständigkeit im Bildungssystem«. Eine Tatsache ist für ihn, dass sich die föderale Struktur der Bildungslandschaft nachteilig auf die Etats auswirkt. Noch dramatischer beurteilt er aber, dass es bei der Vielfalt der Zuständigkeiten in der Verwaltung und Politik eine verbreitete Abwehr gäbe, tatsächlich Verantwortung zu übernehmen.
Füller sprach sich auf der Tagung deshalb ausdrücklich für mehr zivilgesellschaftliche Selbsthilfe und privates Engagement aus. Dazu rechnet er auch Fundraising- und Sponsoringaktivitäten, wobei es freilich zu verhindern gelte, »dass der Staat wieder herausholt, was in privater Initiative an Mitteln erwirtschaftet wurde«. Auch die verstärkte Förderung von Privatschulen ist für den taz-Redakteur kein Tabu. Denn seiner Meinung nach wird sich an staatlichen Schulen nur etwas ändern, wenn es eine spürbare Konkurrenz gibt.
Dass Privatschulen einem faktischen Wettbewerbsnachteil unterliegen, bemängelte auf der Tagung Wolfgang Mayer, der am Kolleg St. Blasien, einem katholischen Gymnasium und Internat im Südschwarzwald, für Fundraisingaktivitäten zuständig ist. Während die staatlichen Schulen pro Schüler 4900 Euro im Jahr erhalten, müssten sich Privatschulen mit einem Zuschuss von 3800 Euro zufrieden geben.
Optimistisch bewertete er die Entwicklung im Bildungssponsoring. Angeführt durch die Hochschulen beginne jetzt auch an immer mehr Schulen der Versuch, systematisch private Mittel einzuwerben. Nach seiner Einschätzung gibt es dafür auch beträchtliche Potenziale. Schon heute liege das jährliche Spendenaufkommen bei 4 bis 6 Milliarden Euro, die Sponsoringaufwendungen bei 4 Milliarden Euro und das Fördervolumen durch Stiftungen bei ca. 2 Milliarden Euro.
Günstig für den Fundraisingmarkt dürfte sich zudem die demografische Entwicklung auswirken. Bereits gegenwärtig kommen 70 Prozent der Spenden aus der Altersgruppe 50plus. Und allein das Erbschaftsvolumen bis zum Jahr 2010 liegt nach Angaben des Fundraisingexperten Müller bei 2 Billionen Euro. (-uw)