Die Württembergische Evangelische Landessynode hat auf ihrer Frühjahrssitzung Mitte März den Bau eines großen Bildungs- und Verwaltungszentrums in der Stuttgarter Innenstadt befürwortet. Auch der Oberkirchenrat favorisiert dieses Projekt.
Auf der Synodalsitzung wurde eine Planungsrate von 450.000 Euro bewilligt, um im Laufe der kommenden drei Monate eine Konzeption mit »belastbaren Berechnungen« zu entwickeln. Insgesamt dürfte der Bau etwa 35 Millionen Euro kosten. In dem neuen Gebäude im Hospitalviertel sollen das Pfarrseminar, das Pädagogisch-Theologische Zentrum und die klinische Seelsorge-Ausbildung, die sich bislang alle im Haus Birkach befinden, untergebracht werden. Hinzu kommen andere Einrichtungen der Landeskirche wie beispielsweise der Gemeindedienst, Frauen- und Männerwerk, Polizeipfarramt, Weltanschauungsbeauftragter und die Erwachsenen- und Familienbildung. Die Veranstaltungen des Pastoralkollegs, die seither im Kloster Denkendorf stattfanden, sollen zukünftig im Stift Urach angeboten werden. Offen ist, ob auch der Oberkirchenrat aus der Stuttgarter Halbhöhenlage in die Innenstadt umziehen soll.
Verhandlungen mit den bisherigen Eigentümern der Grundstücksflächen und der Gebäude, wie etwa der Evangelischen Gesamtkirchengemeinde Stuttgart, dem CVJM oder der Stadt Stuttgart, sollen zügig angegangen werden. Der bauliche Zustand sowohl des Hospitalhofes als auch des CVJM-Gebäudes sind schlecht und bedürfen dringend einer Sanierung.
Ob diese Vorentscheidung für ein Bauvorhaben in der Stuttgarter Innenstadt Auswirkungen auf die Arbeit der Evangelischen Akademie Bad Boll hat, ist Thema des nachfolgenden Interviews mit Oberkirchenrat Heiner Küenzlen.
Geht die seit 1998 geführte Debatte um die Bildungskonzeption der Evangelischen Landeskirche in Württemberg durch die jüngste Planungs-Entscheidung der Synode und des Oberkirchenrates jetzt in die Zielgerade?
In der Tat geht das Votum für eine »Innenstadtlösung« mit der bereits vollzogenen strukturellen Entscheidung einher, die Bildungsarbeit der Landeskirche in drei »virtuelle Häuser« zu gliedern. Es gibt das Haus »Kirche und Gesellschaft«, in dem auch die Evangelische Akademie Bad Boll untergebracht ist, die »Landeskirchlichen Werke und Dienste« und das »Landeskirchliche Bildungszentrum«. D. h. die Umsetzung der Bildungskonzeption geht voran und es ist jetzt beschlossen, wo die beteiligten Einrichtungen zusammenkommen und zusammenarbeiten sollen.
Wird die Arbeit der Evangelischen Akademie Bad Boll durch die Bauentscheidung beeinflusst?
Die Kirchenleitung steht dazu, dass die Arbeit der Akademie als Forum der öffentlichen Diskussion und Begegnung erhalten bleibt. Diese Aufgabe der Akademie wird durch die Immobilen-Vorentscheidung keineswegs beeinflusst. Allerdings bringt die bereits getroffene strukturelle Entscheidung für die »virtuellen Häuser« den Wunsch zum Ausdruck, dass die Akademie mit Einrichtungen, die sich mit ähnlichen Fragen befassen, näher zusammen rückt. Und wenn die »Innenstadtlösung« tatsächlich realisiert wird, stellt sich die Frage, wie die Akademie die Chance nutzen will, im Zentrum des Landes mit eigenen Angeboten präsent zu sein.
Wieso stehen jetzt plötzlich Millionen zur Verfügung, während die Akademie jahrelang auf eine Freigabe der Mittel zum Ersatz baufälliger Gebäudeteile warten musste?
Die Landeskirche ist nach wie vor zu einem sparsamen Umgang mit den vorhandenen Mitteln verpflichtet. Dass in Bad Boll noch nicht gebaut wurde, hat aber nicht in erster Linie finanzielle Hintergründe. Vielmehr war lange nicht klar, welche Konzeption kommen würde. Dieser Prozess ist aber jetzt abgeschlossen.
Darf die Akademie weiter darauf hoffen, dass auch nach der jüngsten Entscheidung die Planung für ein neues Bettenhaus der Akademie weiterentwickelt wird?
Ich stehe für den Beschluss, in Bad Boll ein Bettenhaus zu planen. Das Votum für eine »Innenstadtlösung« darf nicht mit der Planung moderner Gästezimmer für die Akademie vermischt werden. Wäre die Planungsfreigabe in Bad Boll noch nicht erfolgt, müsste sie jetzt umso dringlicher vollzogen werden. Denn eine »Innenstadtlösung« bedeutet einerseits, dass dort zwar verschiedene kirchliche Dienststellen zusammengezogen werden sollen, andererseits aber, dass wir um der Wirtschaftlichkeit willen verpflichtet sind, mehrtägige Veranstaltungen in Bad Boll und Urach durchzuführen und diese Häuser auch zu belegen.
Soll die Unterscheidung Tagesveranstaltung/mehrtägige Tagung zum Kriterium werden, was in Stuttgart und was in Bad Boll stattfindet?
Der konzeptionelle Auftrag der Akademie soll sich nicht ändern. Sie hat einen Auftrag an der Gesellschaft zu vollziehen und gesellschaftliche Kräfte einzuladen zum Gespräch. Damit unterscheidet sie sich von anderen kirchlichen Dienststellen. Die Akademie soll tiefer in den nichtkirchlichen Raum hinein wirken.