"Migration ist wichtig für Entwicklung"

Migrationsbewegungen sind keine neuen Prozesse. Sie finden zyklisch immer wieder statt – mit jeweils anderen regionalen Ausgangspunkten und Zielen. Bei der Tagung „Migration aus historisch-wirtschaftlicher Perspektive“ standen am Wochenende (12./13.05.2017) die Entwicklungen und Ansätze von ausgewählten Migrations- und Vertreibungsprozessen im Mittelpunkt.

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„Europäische Migrationsbewegungen nach Lateinamerika haben eine jahrhundertelange Tradition und verstärkten sich in den Jahrzehnten des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts im Rahmen verdichteter Globalisierungsprozesse“, erklärte die Professorin für Amerikanische Kulturgeschichte an der Universität München, Prof. Dr. Ursula Prutsch. Sie erläuterte Beispiele aus Lateinamerika und Australien. Dabei würden sich die Migrationsströme von jenen nach Europa vor allem darin unterscheiden, „dass lateinamerikanische Eliten sich lange selbst als rückständig betrachteten und durch Migrantinnen und Migranten Fortschritt in ihre Länder zu holen hofften.“

„Diese Politiken wurden auch sozialdarwinistisch begründet“, sagte Ursula Prutsch, „sie gingen mit der Vertreibung und der Ermordung indigener Gruppen und der Geringschätzung der ehemaligen Sklaven afrikanischer Herkunft einher.“ Auch zwischen 1933 und 1942 hätten viele lateinamerikanische Staaten europäischen Flüchtlingen Asyl angeboten, wobei nur Mexiko eine dezidierte Politik der offenen Grenzen betrieben habe, die Flüchtlinge unterschiedlicher Religionen, Ethnien und Ideologien gleichermaßen akzeptierte.

Die Referentin für Migration von Brot für die Welt, Sophia Wirsching, erläuterte die Herausforderung der Migration im weltweiten Kontext: Der Anteil der Migranten an der Weltbevölkerung sei seit über einem halben Jahrhundert konstant - und liege seit 1960 bei einem Wert von um die drei Prozent. Denn während sich die Zahl der internationalen Migranten von 93 Millionen im Jahr 1960 auf 244 Millionen im Jahr 2015 erhöhte, sei die Weltbevölkerung im gleichen Zeitraum von 3,0 auf 7,3 Milliarden gestiegen.

„Global gesehen machen Flüchtlinge nur einen relativ kleinen Teil der Migranten aus“, sagte Wirsching. Während zwischen 1990 und 2010 die Zahl der Flüchtlinge von 18,5 auf 16,3 Millionen zurückging, sei ihre Zahl bis 2016 auf 21,3 Millionen gestiegen, vor allem infolge des Syrienkrieges. „Weltweit sind nur sieben bis acht Prozent der Migranten Flüchtlinge, wobei diese sich in ihrer übergroßen Mehrheit - 86 Prozent - in Entwicklungsländern aufhalten“, sagte Wirsching.

„Arbeitsmigration in der Globalisierung geschieht vor dem Hintergrund der Flexibilisierung von Arbeitskraft und der Wirtschaft allgemein“, betonte die Referentin. Migranten spielten dabei weiterhin eine Schlüsselrolle, weil ihre Arbeitskraft in vielen Branchen, von der Bauindustrie bis hin zur Pflege, weiterhin unverzichtbar sei. Neu sei, dass sich Wanderrouten und Migrationsverläufe heute komplexer gestalteten und dass sich auch die Zusammensetzung der Migrantengesellschaften stark verändert habe, weil immer mehr Frauen aus- bzw. einwanderten. Wirsching: „Patriarchale Strukturen und Geschlechterrollen geraten damit unter Veränderungsdruck.“ 

Jeder Mensch habe das Recht „das Land, in dem er sich befindet, zu verlassen. Doch legale Wege würden vielen versagt bleiben: „Millionen von Menschen werden auf lebensgefährliche Migrationsrouten oder Fluchtwege und damit in die Illegalität gezwungen“, erklärte Wirsching: „Flüchtende und Migranten ertrinken im Mittelmeer oder sitzen entlang der ‚Balkanroute‘ fest.“ Mord und Entführung, Vergewaltigung und Versklavung gehörten zum Alltag auf den Routen der Migration, die von Zentralamerika über Mexiko bis zur befestigten Grenze der Vereinigten Staaten führen. Gerade wenn zum Beispiel notwendige Papiere fehlten, wenn keine Aufenthalts- oder Arbeitserlaubnis vorliege, werden Migrantinnen und Migranten leicht Opfer von Ausbeutung, Sklaverei oder Menschenhandel. „Menschenrechtsverletzungen gegen Migrantinnen und Migranten sind besonders häufig, denn viele Staaten fühlen sich dem Schutz dieser Menschen weniger verpflichtet als dem der eigenen Staatsbürger/innen“, betonte Wirsching. Migrantinnen und Migranten würden gesellschaftlich oft ausgegrenzt und kriminalisiert.  

„Migration ist wichtig für Entwicklung“, sagte Sophia Wirsching: „Sie eröffnet neue Handlungshorizonte, fördert Dialog und Austausch. Migration ist eine Strategie für bessere Lebensbedingungen und zur Verwirklichung persönlicher Ziele und Hoffnungen.“

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