Von Kathinka Kaden
Rund zweieinhalb Millionen Menschen in Deutschland wissen, was es heißt, ein sogenannter Messie (vom englischen Wort mess = Durcheinander, Unordnung) zu sein. Sie haben das zwanghafte Bedürfnis, Dinge anzusammeln, bis sich zum Beispiel Papier-, Bücher oder Wäscheberge türmen. Zum Ordnen und Aufräumen aber fehlt ihnen die Kraft. Dahinter steckt laut der Messie-Expertin Veronika Schröter eine Wertbeimessungsstörung, wie sie bei dem Fachtag zum Messie-Syndrom Sammeln bis zur Einsamkeit am 21. April 2013 in der Evangelischen Akademie Bad Boll erklärte.
Betroffene könnten nicht mehr sortieren, welcher Gegenstand wichtig oder schön für sie sei und welcher nicht, meinte Schröter: Viele haben in der Kindheit erleben müssen, dass sie nach den Vorstellungen von Erwachsenen geformt worden sind. Drei Viertel der Messies seien Frauen, ein Viertel Männer (Da räumen allerdings oft die Frauen auf. Das führt zu Krisen.) Viele hätten auch in Beziehungen schwere Verluste erlebt, ob als Kind durch Vertreibung oder als Erwachsene bei Trennungen oder Todesfällen: Sie haben erfahren: Menschen gehen, die Dinge bleiben. Längst nicht jedem sei sein Leiden allerdings anzumerken, zumindest wenn er oder sie beruflich oder privat unterwegs sei: Messies können aussehen wie aus dem Ei gepellt. Sie pflegen im Außenbereich normale, manchmal sogar sehr gute Beziehungen. Sie sind sensibel und sozial. Die Schwierigkeiten treten zuhause auf, in der eigenen Wohnung oder im eigenen Haus: Sie trauen sich nicht mehr, andere in die eigene Wohnung einzuladen.
Das Messie-Syndrom sei kein ausschließliches Problem von sozial Schwachen. Auch Angehörige der oberen Schichten seien betroffen, so Schröter weiter: Das wird in den Medien nicht korrekt dargestellt. Die Schicksale Einzelner müssten in den Medien für Doku- Soaps her, die mit dem Leid der Erkrankten Quote machen wollten. Leider würde dabei eher Voyeurismus betrieben als sachlich aufgeklärt. Es gelte daher, die Problematik der Messies von der sogenannten Vermüllung abzugrenzen: Vermüllt ist da, wo es krabbelt und riecht und feucht ist.
Wissenschaftliche Studien der Universität Freiburg, so zeigte Prof. Dr. med. Dieter Ebert auf, würden zeigen, dass die Symptome des sogenannten Messie-Syndroms oft gemeinsam mit anderen psychischen Störungen wie etwa Depressionen oder dem ADHS-Syndrom auftreten, doch eben auch für sich. Das Syndrom sei zwar immer Ausdruck psychosozialer Probleme, müsse aber noch deutlicher abgegrenzt werden von anderem. Es sei lediglich eine Frage der Zeit, dass das Messie-Syndrom, wenn auch vielleicht unter anderem Namen, als eigene Krankheit in die entsprechenden Klassifizierungen aufgenommen werden wie es bereits in den USA als hoarding geschehe. Auch in Deutschland müsse das Thema enttabuisiert und als therapierbare Störung ins Bewusstsein gebracht werden. Ungeklärt seien auch noch, so Veronika Schröter, die Zusammenhänge zwischen Leistungs- und Überflussgesellschaft, Individualisierung, Ökonomisierung, Materialismus und Messietum.
Über die neuesten Forschungsergebnisse, die auf der Tagung vorgestellt wurden, berichtete die Therapeutin und "Messie-Berarterin" Veronika Schröter auch im Interview mit Bayern 2.