Mit dem Jugendbegleiterprogramm sollen ganztägige Betreuungsangebote im schulischen Raum entwickelt und erprobt werden. Im laufenden zweiten Modelljahr nehmen bereits 520 Schulen und 80 Verbände an dem Projekt teil.
Anerkennend äußerten sich Erziehungswissenschaftler und Verbände auf einer Tagung in der Evangelischen Akademie Bad Boll (5./6.11.2007) über das Programm. Berthold Friess vom Landesjugendring hob hervor, dass es die Schule einen wichtigen Schritt in Richtung Ganztagesbildung weiterbringe und für zivilgesellschaftliches Engagement öffne. Auch beim BUND habe man »begeistert« auf die Möglichkeit reagiert, eigene Angebote an der Schule zu machen, erklärte die Landesvorsitzende des Umweltverbandes Dr. Brigitte Dahlbender in Bad Boll. Die dynamische Entwicklung des Projekts habe jedoch auch vor Augen geführt, dass man damit an die Grenzen ehrenamtlichen Engagements stoße.
Wenn das Jugendbegleiterprogramm weiter so schnell wachse, stelle sich die Frage, woher man die vielen Ehrenamtlichen bekommen könne und woher die Mittel kommen sollen, um sie zu qualifizieren und zu betreuen, sagte die BUND-Vertreterin. An das Kultusministerium richtete sie daher die Bitte, gezielt nach Wegen zu suchen, für das Programm zu werben und es ins öffentliche Bewusstsein zu bringen.
Dass man »mehr Geld in die Hand nehmen muss«, meinte auch Bertold Friess vom Landesjugendring. Das Ehrenamt bilde eine wichtige Säule des Programms, für die Koordination und Unterstützung vor Ort seien aber hauptamtliche Kräfte erforderlich. Friess sprach sich auch dafür aus, nicht nur den Schulen ein Projektbudget für Aufwandsentschädigungen zur Verfügung zu stellen, sondern die Verbände direkt mit verlässlichen Beträgen zu unterstützen. Dass sich damit die Frage stelle, nach welchen Kriterien Verbände Gelder erhalten sollten, wandte Dr. Carsten Rabe vom Kultusministerium ein. Außerdem stünde für das Kultusministerium die Absicht im Vordergrund, die Autonomie der Schulen zu stärken.
Nachdrücklich forderten Schulpraktiker auf der Tagung die Rolle des Jugendbegleiterprogramms im Kontext der Schulentwicklung zu präzisieren. Man genau müsse unterscheiden, dass das Jugendbegleiterprogramm zwar ein wichtiger Meilenstein in der Entwicklung sog. offener Ganztagsschulen sei, sich damit aber das Politikziel eines ganztägigen Ausbaus der Schule nicht vollständig einlösen lasse. »Wenn es in Richtung Ganztagsschule geht, reicht das Ehrenamt nicht aus«, sagte Gudrun Greth, Rektorin eine Stuttgarter Schule.
Als Bedingung eines Ganztageschulangebots, das insbesondere den Schülerinnen und Schülern gerecht wird, forderte der Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Wolfgang Mack auf der Tagung vor allem eine enge Verzahnung von Vormittags- und Nachmittagsangeboten. Ein bloßes Aneinanderfügen sei nicht ausreichend. Vielmehr müssten integrierte Konzepte entwickelt werden, in denen schulische und außerschulische Partner verlässlich und »auf Augenhöhe« zusammen arbeiten. »Qualifizierte Betreuung ist mehr als Aufbewahren und Behüten«, sagte Mack und forderte eine Schulkultur, in der Bildung, Betreuung und Erziehung gleichermaßen beachtet werden.
Für eine Öffnung der Schule machte sich in Bad Boll auch die Bielefelder Reformpädagogin Dr. Annemarie von der Groeben stark. »Bildung ist auch Bürgersache«, sagte sie und erinnerte an das afrikanische Sprichwort, wonach ein ganzes Dorf nötig sei, um ein Kind zu erziehen. Deshalb seien außerschulische Bildungserlebnisse für Kinder unerlässlich. »Bildungsarmut ist Erlebnis- und Erfahrungsarmut«, die durch keinen Nachhilfe-Unterricht aufgefangen werden könne. Nach Ansicht der Pädagogin bietet sich im außerschulischen Engagement die Chance, Kindern zu geben, was sie in ihrer Entwicklung besonders brauchen, nämlich »Zuwendung, Orientierung und Bewährung«. (-uw)
Eine Pressemitteilung zur Eröffnung der Tagung mit Staatssekretär Georg Wacker finden Sie im Internetangebot des Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden Württemberg.