"In Karlsruhe Geschichte schreiben"

Vorbereitung auf die 11. ÖRK-Vollversammlung

(c) Peter Dietrich

Wenn es mit den noch fehlenden 1800 Visa klappt, werden Ende August fast 5000 Gäste zur 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) in Karlsruhe anreisen. Der minutiösen Planung steht die Hoffnung auf die nicht planbaren Überraschungsmomente gegenüber. Teil der gründlichen Vorbereitung war Anfang Juni eine zweitägige Tagung in der Evangelischen Akademie Bad Boll.

Das internationale Flair der Vorbereitungstagung hatte viele Gründe: Ein Teil der Veranstaltungen war in englischer Sprache, am Abend wurden gemeinsam die Lieder der Vollversammlung gesungen, zwei der Referenten waren vom ÖRK aus Genf angereist. Den Auftakt machte der Brasilianer Odair Pedroso Mateus, Direktor der Abteilung Glaube und Kirchenverfassung und stellvertretender Generalsekretär des ÖRK. Hinter dem Motto der Vollversammlung, „Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt“ steht für ihn die leidenschaftliche Anteilnahme Jesu am Leiden der Menschheit. „Die Radikalität von Christi Liebe und seine Mitleidenschaft für jene am Rande“ habe dazu geführt, „dass er in aktiver Solidarität lehrte, predigte und heilte.“ Auch wenn die Christen die Einheit der Kirche bekennen, lebten sie in vielen verschiedenen Kirchen. Diese Vielfalt sei ein Reichtum.

Das größte Szenario

Die Pandemie prägte den Vorbereitungsprozess der Vollversammlung. Von drei Planungsszenarien, sagte Mark Witzenbacher, Leiter des Koordinierungsbüros, habe sich der ÖRK inzwischen für das größte Szenario mit 5000 Gästen entschieden. Die Vollversammlung sei für ihn eine „Mischung aus Synode und Kirchentag“. Gäste seien willkommen, viele Veranstaltungen seien zudem online verfügbar. „Wir hoffen, dass wir in Karlsruhe Geschichte schreiben.“

Wie vergangene ÖRK-Vollversammlungen Geschichte schrieben, zeigte eine abendliche Gesprächsrunde mit Konrad Raiser, ÖRK-Generalsekretär von 1992 bis 2003. Bereits 1975 in Nairobi war das Thema „Nachhaltigkeit“ auf der Tagesordnung des ÖRK – lange bevor die damit verbundenen Fragen allgemeine Beachtung fanden.

Rassismus als Oktopus

Einer der sieben Megatrends, der in Karlsruhe behandelt wird, ist Rassismus. Masiiwa Ragies Gunda, Programmkoordinator des ÖRK zur Rassismusbekämpfung aus Zimbabwe, verglich Rassismus mit einem Oktopus: Er strecke seine Tentakeln in die Medien, das Justizsystem, den Zugang zur Gesundheitsversorgung und Nahrung, in die Bildung und die Wohnverhältnisse aus. Die Idee der weißen Vorherrschaft habe den Kolonialismus überlebt. „Wir brauchen unbequeme Debatten, um dem Rassismus die Legitimität zu entziehen.“ Sein eigener Wunsch: „Ich brauche keinen deutschen Pass, aber ich möchte als Mensch dazugehören.“

Mindestens ein Jahrzehnt zurückgeworfen

Die Pandemiemaßnahmen hätten mindestens ein Jahrzehnt Entwicklungsanstrengungen zunichte gemacht, sagte Dietrich Werner, Referent für Theologische Grundsatzfragen bei Brot für die Welt. 500 Millionen Menschen drohten erneut in extreme Armut zu geraten. In der Umweltbewegung seien die Kirchen die Avantgarde gewesen, beim Thema Biodiversität stehe das noch aus.

Neun Studierende aus Tübingen referierten nach ihrer intensiven Auseinandersetzung mit Frieden und Militarisierung. Im Jahr 2021 habe Deutschland 50 Milliarden Euro für die Bundeswehr, aber nur 2,4 Milliarden für humanitäre Hilfe ausgegeben, kritisierten sie. Sie begründeten, warum gewaltfreie Konfliktlösungen erfolgreicher seien als der Einsatz von Waffen. Durch höhere Legitimität erreiche ziviler Widerstand mehr Beteiligung und schaffe mittel- und langfristig die Basis für ein friedliches Zusammenleben.

Zu den Aktivitäten im Vorfeld der Vollversammlung gehört auch ein Klimapilgerweg von Stuttgart nach Karlsruhe. Eine der Organisatorinnen, Pilgerpfarrerin Ulrike Schaich, gab gemeinsam mit zwei Lamas einen Vorgeschmack und lud in Bad Boll zum Abendspaziergang ein.

Der Landesbischof in Genf

„Dass die Ökumene zum Herzschlag unserer Kirche gehören muss, dafür habe ich mich immer eingesetzt“, sagte Landesbischof Frank Otfried July, der am zweiten Konferenztag aus seiner ökumenischen Biographie erzählte. Seine erste internationale Prägung erfuhr er in Genf beim ÖRK, dort pulsierte der Austausch über alle Grenzen hinweg. Dass er schließlich beim Lutherischen Weltbund einstieg, sei eher ein Zufall gewesen. Er freue sich, dass die ÖRK-Vollversammlung erstmals zu Gast in Deutschland sei – und dass die Landeskirche mit ihren 25 Botschaftern und Botschafterinnen für Karlsruhe dazu beitrage, die Impulse der Versammlung in die Kirchengemeinden und landeskirchlichen Strukturen zu tragen.

Wie dies genau aussehen könne und welche Themen aufgegriffen werden sollten, diskutierten die 60 Teilnehmer in einem „Open-Space-Prozess“. Sie erhoffen sich Impulse aus Karlsruhe für die Arbeit in der Schule, in den Bezirkssynoden und der Landessynode.

Leitung der Vorbereitungstagung "Bewegen.Versöhnen.Vereinen.":

Dr. Thomas Haas, Studienleiter an der Evangelischen Akademie Bad Boll

Heike Bosien, Prälaturpfarrerin in Stuttgart, Geschäftsführerin des Dienstes für Mission, Ökumene und Entwicklung (DiMOE)

Dorothee Moser, Pfarrerin, Schuldekanin in den Ev. Kirchenbezirken Nürtingen und Kirchheim

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