„Ihr dürft euch nicht studieren lassen“

Dr. Ulrich Heublein referiert über den Studienabbruch als Herausforderung für Lehre und Beratung

Dr. Ulrich Heublein referiert im Hospitalhof über aktuelle Entwicklungen beim Studienabbruch (© Claudia Mocek)

Eine Handvoll Studenten, die zwei Semester lang jede Woche eine Stunde lang von einem Mentor begleitet werden und sich in Gesprächen über fachliche Probleme, das wissenschaftliche Arbeiten und das Leben an der Uni austauschen – so könnte künftig eine wirkungsvolle Betreuung an Hochschulen aussehen, die zu weniger Studienabbrüchen führt. Das hat Dr. Ulrich Heublein vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung heute (Freitag, 15. Juni 2018) bei der Tagung „Wie viele Studienabbrecher will sich unsere Gesellschaft leisten?“ in einem beeindruckenden Vortrag im Hospitalhof Stuttgart erläutert.

2017 lag die Quote der Studienabbrecher bei den Bachelor-Studiengängen in Deutschland bei 29 %. Heublein betonte, dass es unsinnig sei, diese Quote auf Null reduzieren zu wollen. Ein Vorteil unseres liberalen Bildungssystems sei es, einen anderen Weg einschlagen zu können, wenn man das möchte. Unterbrechung, Fachwechsel, Auslandsaufenthalt: Die Möglichkeiten der Umorientierung werden immer stärker genutzt. „Der nicht-lineare Bildungsweg gewinnt an Bedeutung“, sagte der Referent.

Studienabbruch hängt von vielen Faktoren ab

Doch der Studienabbruch sei ein komplexer Prozess, bei dem viele Faktoren eine Rolle spielten: Herkunft, Persönlichkeit und Bildungssozialisation bilden den „Rucksack, den ich mitnehme, wenn ich ins Studium gehe“, erklärte Heublein. Ob ein Studierender seine Ausbildung erfolgreich beende, werde während des Studiums unter anderem vom Studierverhalten, vom Lernstil, der Motivation und den psychischen Ressourcen beeinflusst. Heublein hat diese Einflüsse untersucht und Signale entdeckt, die von „wachsender Bedenklichkeit“ sind. So seien an kleineren Hochschulen mittlerweile immer öfter Sozialarbeiter mit ganzheitlichem Ansatz gefordert.

Ein Drittel der Bachelor-Studierenden entscheidet sich für einen Abbruch. Entscheidende Faktoren sind unter anderem: Bildungsherkunft, Migrationshintergrund und Schulart. Was Heublein „besonders bedenklich“ findet: Bei erfolgreichen Studierenden sind inzwischen beide Eltern akademisch gebildet. Ein Migrationshintergrund erschwert den Studienabschluss. Schülerinnen und Schüler von Gymnasien seien öfter erfolgreich im Studium als Absolventen anderer Schularten. Studierende mit abgeschlossener Berufsausbildung seien nicht unbedingt im Vorteil. Sie würden öfter das Studium abbrechen, weil die praktische Ausbildung die schulische Lernphase unterbrochen habe, erläuterte Heublein.

Motivation ist wichtig

Im Gegensatz dazu könne eine Erwerbstätigkeit während des Studiums erfolgsfördernd sein – wenn sie nicht zu viel Zeit in Anspruch nehme und etwa als Hilfswissenschaftler fachlich nahe am Studium sei. Er regte an, solche Stellen nicht nur aufgrund von Leistungen zu vergeben, sondern auch soziale Komponenten einzubeziehen. 

Für einen erfolgreichen Studienabschluss sei die Motivation entscheidend. Wenn junge Menschen nicht ihr Wunschfach studierten, könne es problematisch werden. Dann reiche die Motivation oft nicht bis zum Abschluss. Darüber hinaus müssten fachliche Defizite aufholbar sein, forderte Heublein. Zurzeit gäbe es keinen Nachweis, dass Einführungs- und Hilfsangebote wirkungsvoll seien.

Die Angebotsstruktur im Studium sei eine Stärke des deutschen Bildungssystems. Doch die jungen Menschen müssten an das eigenständige Agieren erst herangeführt werden. Dabei sei das Gespräch mit Lehrenden außerhalb von Lehrveranstaltungen unersetzlich. „Ihr dürft euch nicht studieren lassen, ihr müsst studieren“, fasste Heublein seinen Rat zusammen. 

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