„Das, was jetzt passiert, ist vergleichbar mit den Auswirkungen der Industrialisierung“, sagte der Arbeits- und Industriesoziologe PD Dr. Andreas Boes heute (05.11.2015) in der Evangelischen Akademie Bad Boll. Der Wissenschaftler vom Institut für Sozialwissenschafte Forschung e. V. in München referierte auf der Tagung „Aufbruch in eine neue Führungskultur. Digitale und partizipative Arbeitswelt der Zukunft“ – ein Thema, das in Deutschland noch sehr stark unterschätzt werde.
Der gigantische Umbruch sei eine Herausforderung an die Arbeitswelt. Es dürften nicht erst Millionen von Menschen in die Armut getrieben werden, wie in der Industrialisierung im 19. Jahrhundert. Am Ende müsse der Prozess dem Wohl der Menschen dienen, ist Boes überzeugt.
Ein wesentlicher Aspekt der Digitalisierung oder Informatisierung sei die permanente Verfügbarkeit, die Jugendliche mit Computerspielen antrainiert werde: Die globale Vernetzung, die Unterscheidung von Levels und deren unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten seien wesentliche Elemente des Arbeitslebens, betonte Boes.
„Der Umbruch in der Arbeitswelt wirkt sich fundamental auf das Geschlechterverhältnis aus“, sagte Boes. Neben größeren Chancen für Frauen seien damit aber auch größere Risiken für Frauen in der Familienphase verbunden, ist der Wissenschaftler überzeugt.
Das System permanenter Bewährung, bei dem sich jeder Mitarbeitende jeden Tag aufs Neue beweisen müsse, sei in der freien Wirtschaft stark verbreitet. Diesen Stress könne man lange ertragen, wenn man einen Sinn in seiner Arbeit sieht. „Doch es bringt den Menschen auf Dauer über seine innere Grenze“, sagte Boes.
Auch Staatssekretär Peter Hofelich vom Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg sah die Digitalisierung als Herausforderung: "Wir müssen uns die Digitalisierung für die Menschen nutzbar machen. Information und Transparenz sowie Aus- und Weiterbildung sind für mich wichtige Voraussetzungen, um die Herausforderungen der digitalen Zukunft in der Arbeitswelt zu meistern. Und wir müssen in digitale Kompetenz investieren und schon heute an den Fachkräftebedarf von morgen denken - Baden-Württemberg ist für diesen Weg schon heute gut gerüstet."