Sinkende Abo-Zahlen bei Tageszeitungen, die Abkehr jüngerer Menschen von den klassischen Medien und eine Explosion von Informationsangeboten im Netz: Das sind nur einige der Entwicklungen, denen sich Medienschaffende in Verlagen und Sendern seit einigen Jahren gegenüber sehen.
Noch haben vor allem Printmedien keinen Weg gefunden, den Schwund von zahlenden Lesern und Anzeigenkunden mit Angeboten im Web zu kompensieren. Die aktuelle Technik erlaubt es auch journalistischen Laien, Texte, Bilder, Tondokumente und Videos zu veröffentlichen ohne, dass ihr Publikum weiß, ob sich die Laienreporter an journalistische Standards zur Überprüfung von Fakten halten.
"Es gibt auch viel Schwarmdummheit im Netz"
Uwe Vorkötter, Berater des Vorstands der Mediengruppe M. DuMont Schauberg, forderte von seinen Journalisten-Kollegen vor allem mehr Selbstkritik. Im Netz ist nicht nur Schwarmintelligenz, sondern auch viel Schwarmdummheit unterwegs. Davor müssen wir uns als Journalisten nicht fürchten, wenn wir bereit sind, uns immer wieder selbstkritisch nach der Glaubwürdigkeit unserer Arbeit zu hinterfragen, sagte Vorkötter. Wahrheit und Wahrhaftigkeit seien zentrale Werte des Journalismus, und nur wenn das Publikum einem Medium vertraue, können diesen Erfolg haben. Der ehemalige Chefredakteur von Stuttgarter und Berliner Zeitung warnte davor, diese Werte aufs Spiel zu setzen etwa durch ungeprüftes Verwenden von PR-Material. Wir dürfen auch nicht dem Mainstream-Risiko erliegen wie im Fall der Finanzkrise. Bevor diese ausbrach, waren deutsche Wirtschaftsre-daktionen i mit im neoliberalen Mainstream. Da hat der deutsche Finanzjournalismus komplett versagt, so Vorkötter.
"Tageszeitung noch immer glaubwürdigstes Medium"
Die Tageszeitung ist noch immer das Medium, dem alte wie junge Menschen am meisten Vertrauen, sagte Michel Mauerer, stellvertretender Chefredakteur der Stuttgarter Zeitung, Deshalb müssten es Zeitungen schaffen, diese Vertrauenswürdigkeit noch stärker als bisher als Unterscheidungsmerkmal zu anderen Medien herauszuarbeiten. Dazu sei es notwendig, das sich Redaktionen öffnete, transparent arbeitete und auch den etwa in den Soziale Netzwerken Dialog mit den Lesern annähme. Im Netz entstehen neue Kontrollinstanzen wie etwa der Bildblog und auch vor denen muss unsere Arbeit bestehen, sagte Maurer. Journalisten säßen oft auf einem hohen moralischen Ross, stattdessen sei es geboten, auch die Grenzen des eigenen Handwerks kenntlich zu machen. Keine Redaktion kann alle Tweets und Videos aus Syrien überprüfen und das müssen dann auch sagen, so Maurer.
Glaubwürdigkeit kann sich im Netz jeder verdienen - nicht nur Journalisten
Dr. Leif Kramp, Medienwissenschaftler von der Universität Bremen, betonte, Glaubwürdigkeit sei ein zentraler Wettbewerbsvorteil klassischer Medien. Aber: Glaubwürdig ist, was das Publikum glaubt. Und heute kann sich vom lokalen Blog bis zum You-Tube-Sternchen jeder im Netz diese Glaubwürdigkeit verdienen, so Kramp. Tageszeitungen und Sendeanstalten müsste noch viel stärker als bisher die Chancen des Internets nutzen: das Publikum stärker einbinden, etwa in die Recherche, den Dialog mit Leser und Hörern verstärken und crossmedial produzieren. Ob man damit dann Geld verdienen kann hängt davon ab, ob die Nutzer bereit sind, für journalistisch hochwertige Arbeit im Netz zu zahlen, so Kramp.
"Bürgerjournalismus ersetzt keinen professionellen Journalismus"
Diese Erlösmodelle seien noch nicht gefunden, aber es werde sie bald geben, prophezeite Robert Schrem, Gründer des Stuttgarter Bürgerkanals flugel.tv. Ob dabei allerdings Verlage und Sendeanstalten eine Rolle spielen werden, da bin ich sehr skeptisch, so Schrem. Dabei könne Bürgerjournalismus nie professionellen Journalismus ersetzen und dieser sei für eine funktionierende Demokratie essentiell. Mit unseren Live-Stream von den Protesten gegen STuttgart21 haben wir eine Gegenöffentlichkeit geschaffen, aber kein per se journalistisches Produkt. Das können wir auch gar nicht, dazu fehlen uns die Ressourcen, so Schrem.
"Deutsche Redaktionen nutzen Technik zuwenig"
Die Online-Journalisten Kersten Riechers und Tobias Reitz bemängelten, deutsche Redaktionen nützen die technischen Möglichkeiten zu wenig für ihre Arbeit. In Deutschland denken wir zu wenig technikbezogen. In den USA gibt es Zusammenschlüsse von Hochschulen, Redaktionen und Firmen, um Probleme zu lösen, zum Beispiel um Fakten mit Hilfe von Internet-Werkzeugen zu überprüfen, so Reitz. Außerdem sei die Technik in Deutschland noch nicht nutzerfreundlich genug, um im Redaktionsalltag Anklang zu finden.