»Ich muss es haben, haben, haben«, Natascha Meyer ballt die Faust und gibt ihrer Stimme ein begehrliches Timbre. Mit Friedrich Holländers »Kleptomanin« und anderen musikalischen Intermezzi unterhielt das Trio Pleroma die 180 Gäste im Akademie-Festsaal. »Geiz und Gier« war das Thema der diesjährigen Michaelisakademie. Das Akademiefest für Kooperationspartner und Freunde des Hauses durchschreitet thematisch den Reigen der sieben Todsünden und hatte in diesem Jahr mit »avaritia« das passende Laster zur herrschenden Krise gewählt.
Bevor es ans Buffet ging, gab es noch leidenschaftliche Statements in der Talkrunde. Der schwäbische Unternehmer Ulrich Scheufelen und Insolvenzverwalter Michael Pluta mahnten zum Maßhalten und zur Wahrung des Gemeinwohls. Sylvia Schwenk von Transparency International bilanzierte optimistisch, dass die Gier der Banker in der Krise schon einen kräftigen Dämpfer erhalten habe. Für den Psychoanalytiker Rainer Funk ist der Trend zu Effizienz und fortschreitender Rationalisierung Ausdruck von Habgier, einem entfremdeten Gefühl das seiner Meinung nach nicht zum Menschsein gehört.
Die Michaelisakademie gibt es inzwischen seit 12 Jahren. Mit dieser Festveranstaltung erinnert die Evangelische Akademie Bad Boll an ihren Gründungstag, den Michaelistag im ersten Nachkriegsherbst. In einem ersten Zyklus umkreiste sie das Thema Verantwortung. Hauptredner waren u. a. die ehemaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Erwin Teufel und Lothar Späth, der Ökumeniker Hans Küng, der Steuerrechtler Paul Kirchhof und ZDF-Intendant Markus Schächter.
Seit 2007 geht es bei der Michaelisakademie um die sog. Todsünden und die Frage, was die Sündenbegrifflichkeit in aktuellen Kontexten an Anstößigem offenbart. Nachdem inzwischen die Trägheit, der Zorn sowie Geiz und Gier »abgearbeitet« sind, ist noch offen, welcher Sünde sich die Akademie im nächsten Jahr zuwenden wird.