„Eine gute Sozialpolitik ist die beste Kriminalpolitik.“ Diesen Ausspruch von Franz von Liszt (1851-1919) hat Generalstaatsanwalt Prof. Dr. Helmut Fünfsinn heute (23.07.2018) als Motto über seinen Vortrag auf der Tagung „Haftvermeidung und Haftverkürzung" der Verbände der Straffälligenhilfe in Baden und Württemberg gestellt. Mit dem Landespräventionsrat, den Häusern des Jugendrechts, dem Projekt „Auftrag ohne Antrag“ und der elektronischen Überwachung erläuterte er Lösungsmöglichkeiten zur Haftvermeidung wie sie derzeit in Hessen praktiziert werden.
Überfüllte Gefängnisse und die damit verbundene hohe Belastung für die Mitarbeitenden im Strafvollzug sind Anlass genug, in Politik und Justiz Wege zur Haftvermeidung anzugehen. Darüber hinaus liegt dieses Ziel im Interesse der ganzen Gesellschaft. Denn jede Form der Inhaftierung beschädigt, unterbricht Beziehungen und wirft Menschen aus ihren gesellschaftlichen Bezügen. Für die Zeit nach der Haft braucht es entsprechend große Anstrengungen in der Resozialisierung. Gute Alternativen zu Haftstrafen könnten hier die bessere Lösung sein. Solche Alternativen sollen auf dieser Tagung gesucht, diskutiert und in den politischen Diskurs eingebracht werden.
Passgenaue Maßnahmen helfen Haftstrafen zu vermeiden
Fünfsinn, der die Kriminalverhütung vor allem als gesellschaftliche Aufgabe sieht, lobte den Landespräventionsrat als wichtige Einrichtung, die es in zehn Bundesländern gibt. Aufgrund des Zusammenschlusses würden sich Synergien ergeben, die eine gute Zusammenarbeit vor Ort unterstützen würde.
Bei den Häusern des Jugendrechts handelt es sich um eine „gelungene ressortübergreifende Zusammenarbeit, die eine ganzheitliche Betrachtung der Fälle“ ermöglicht. Seit 2011 arbeiten Polizei, Staatsanwaltschaft, Jugendgerichtshilfe und Täter-Opfer-Ausgleich eng zusammen. Ihr Ziel: Eine ganzheitliche Reaktion unter Ausschöpfung aktiver Maßnahmen nach dem Jugendgerichtsgesetz und dem Kind- und Jugendhilfegesetz. Die abgestimmten und passgenauen Maßnahmen führten zu „ermutigenden Zahlen“, betonte Fünfsinn: 90 Prozent der Fälle konnten durch den Täter-Opfer-Ausgleich gelöst werden.
Rund 3,7 Millionen Euro Haftkosten gespart
Allein 127 000 Ersatzfreiheitsstrafen fielen 2017 an, weil Verurteilte ihre Briefe mit den Strafzahlungen nicht geöffnet haben. Beim „Auftrag ohne Antrag“ informiert die Vollstreckungsbehörde in Hessen die Gerichtshilfe über ausbleibende Zahlungen. Diese wiederum beauftrage Freie Träger, um mit den Verurteilten ins Gespräch zu kommen. Auf diesem Weg konnten im vergangen Jahr rund 3,7 Millionen Euro Haftkosten gespart werden. „Ein Erfolgsprojekt mit hoher Akzeptanz“, bewertete Fünfsinn.
Gute Erfahrungen wurden in Hessen auch mit der Elektronischen Überwachung gemacht, berichtete der Referent. Während die niederschwellige elektronische Präsenzkontrolle seit 2000 vor allem die Tagesstruktur in den Blick nehme, werden mit der GPS-basierten Aufenthaltsüberwachung seit 2012 engmaschig Aufenthaltsdaten erfasst. Anwendungsfelder für diese Form der Überwachung sieht Fünfsinn bei Strafverfahren bis zur Urteilsfindung, der Strafvollstreckung, dem Justizvollzug, der Führungsaufsicht und der Gefahrenabwehr. Eines steht für den Generalstaatsanwalt aber außer Frage: „Ohne Bewährungshilfe geht es nicht.“