Bad Boll. Den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland überreichte Landesumweltminister Franz Untersteller am 6. Juli in der Evangelischen Akademie Bad Boll an Jobst Kraus als „Vorreiter praktizierter Nachhaltigkeit".
Kraus, 1946 in Nürnberg geboren, war von 1976 bis zu seinem Ruhestand 2011 Studienleiter an der Evangelischen Akademie Bad Boll. Er habe sich unermüdlich, vorbildlich und praktisch für ein nachhaltiges Leben in Deutschland eingesetzt, so Untersteller. Seine Verdienste sollten durch die Verleihung des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland eine angemessene Würdigung erfahren. Kraus habe sein berufliches und große Teile seines privaten Lebens in den Dienst der Nachhaltigkeit gestellt und mit seinen Initiativen das Denken und Handeln vieler Menschen beeinflusst und so zur Bewahrung der Schöpfung beigetragen.
Jobst Kraus hat Theologie, Erziehungswissenschaft, Soziologie und Psychologie studiert und als Diplompsychologe abgeschlossen, ehe er in Bad Boll Studienleiter für die Themenbereiche Kommunikation sowie Methoden und Didaktik der Bildungsarbeit wurde. Ab 1983 baute er an der Akademie seinen Fachbereich Umweltpolitik und nachhaltige Entwicklung zu einem anerkannten Kompetenzzentrum aus.
Unter dem Motto „Vom Reden zum Tun" forderte Kraus die konsequente und konkrete Aktion. Bei einer früheren Ehrung sagte er dazu: «Die Bewahrung der Schöpfung beginnt im eigenen Heizungskeller.» Ein bedeutender Erfolg war die Umstellung der Akademie-Küche auf Nachhaltigkeit. Nach dem Slogan „saisonal, regional, biologisch und fair" wurde die Küche revolutioniert, es gab keine Plastikverpackungen mehr im Restaurant und die Strecken der angefahrenen Lebensmittel reduzierten sich um über 80 Prozent. Ansässige Metzger bewegt er zur Umstellung auf Bio-Fleisch.
Die Einmischung von Jobst Kraus ging weit über die Akademie hinaus. Er hat mit dem Öko-Institut und EBÖK (Energieberatung und ökologische Konzepte) das Projekt „Energisch Energiesparen in der Kirche" ins Leben gerufen und die Leitlinien „Nachhaltig handeln in der Landeskirche" erarbeitet. 2009 agierte er als Initiator und Mitbegründer der Ökumenischen Energiegenossenschaft Bad Boll e.G. (ÖEG), deren Ziel es ist, Dächer von kirchlichen Einrichtungen mit Photovoltaikanlagen zu bestücken. Neben der Anlage auf dem Dach des Südflügels der Evangelischen Akademie Bad Boll wurden bis heute neun dieser Projekte verwirklicht.
Nachhaltige Mobilität war ein weiteres Anliegen von Jobst Kraus. Zwar konnte er die Wiedereröffnung der Boller Eisenbahn nicht verwirklichen, aber dafür hat er die erste öffentliche Car-Sharing-Initiative in Deutschland „Dorfmobil Bad Boll e.V." initiiert und mit seinen Spritsparkursen Mitarbeitenden der Akademie, Taxifahrern und vielen anderen ökologisches Fahren beigebracht.
Die Erfahrungen, die Kraus in der Akademie gemacht hat, brachte er als ehrenamtlicher Sprecher des Ständigen Ausschusses Umwelt des Deutschen Evangelischen Kirchentags ab 1987 unter anderem auch im „Gläsernen Restaurant" auf den Kirchentagen ein. Damit wurde bewiesen, dass selbst bei einer „Speisung der Hundertausend" nachhaltiges und schmackhaftes Essen möglich und finanzierbar ist. Das „Gläserne Restaurant" und eine Vielzahl weiterer Maßnahmen machte den Kirchentag zu einem Vorreiter ökologischer Großveranstaltungen. Auch an der EMAS- Zertifizierung von Evangelischem Kirchentag und Evangelischer Akademie hatte Kraus einen großen Anteil.
Jobst Kraus, der unermüdliche Vernetzer und Kämpfer für eine lebenswerte Zukunft für alle, verpackt seine Botschaften immer kreativ und witzig. Das ist sein Markenzeichen. Er ist unermüdlich in zahlreichen Ehrenämtern und als Mitglied von Beiräten auf dem Weg. Nach der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes meinte er, dass es ihm bei dieser Ehrung etwas blümerant zu Mute sei und dass es ja nicht um seine Person, sondern um die Sache ginge. „Wir haben diese Welt von unseren Kindern nur geliehen und wollen ihnen möglichst eine bessere übergeben.", sagte Kraus. Unter dem Motto „Umwelt und Gerechtigkeit gehören zusammen" gab Kraus am Schluss dem Land, der Landeskirche, der Akademie und dem BUND jeweils noch nicht erfüllte ökologische Wünsche auf den Weg und verabschiedete sich mit den Worten: „Wer gegen den Strom radelt, ist noch lange kein Geisterfahrer. – Dass ich dafür geehrt werde, freut mich sehr."