Bad Boll - Religiöser Fundamentalismus gefährdet die Erfolge der Frauenbewegung. Das sagte die Journalistin Alice Schwarzer heute bei einer Tagung in der Evangelischen Akademie Bad Boll. Sowohl christliche als auch islamistische Fundamentalisten bedrohten die in den vergangenen Jahren erkämpfte Gleichberechtigung, so Schwarzer.
Die Chefredakteurin des Magazins EMMA eröffnete mit ihrem Vortrag die Tagung 40 Jahre Frauenbewegung. Mehr als 130 Frauen treffen sich dazu noch bis Sonntag in der Evangelischen Akademie Bad Boll. Sie fragen kritisch, was die Frauenbewegung erreicht hat, was Gleichberechtigung noch immer verhindert und ob die Bewegung heute an ihre Grenzen stößt. Anlass ist der 1. Bundesfrauenkongress, zu dem sich im März 1972 rund 400 Frauen in Frankfurt trafen.
Große Erfolge und erschreckende Niederlagen
Wir haben in diesen Jahrzehnten große Erfolge gefeiert, aber es gibt auch erschreckende Niederlagen, bilanzierte Schwarzer. Dazu zähle zum Beispiel die Allgegenwart von Pornographie. "Wenn Sexualität nur in Verbindung mit Gewalt und Erniedrigung dargestellt wird, kann man sich denken, was das in den Köpfen von Jugendlichen anrichtet."
"Rückfall ins 19.Jahrhundert"
Defizite beklagte Schwarzer ebenso im Bereich der Arbeitswelt. Ich habe 1973 ein Buch über Probleme arbeitender Frauen geschrieben und befürchte, wenn ich das Datum im Impressum auf 2012 änderte, würde keiner merken, dass es schon so alt ist, so die Journalistin. Noch nie hätten so viele Frauen in Teilzeit gearbeitet wie heute. Viele Töchter und Enkelinnen der Frauenrechtlerinnen aus den 70ern seien der Ansicht, das wichtigste im Leben sei die Mutterschaft und für die Kinder da zu sein Das ist doch ein Rückfall ins 19.Jahrhundert, kritisierte Schwarzer. Es ist nicht die Quantitität, sondern die Qualität der Zeit entscheidend, die Eltern mit ihren Kindern verbringen. Sie forderte eine qualitativ hochwertige Kinderbetreuung in Krippen und Horten.
Erfolg: Zahl der Abtreibungen sinkt
Als einen der größten Erfolge bezeichnete Schwarzer die in Deutschland weiter sinkende Zahl der Abtreibungen. Niemand hat soviel dazu beigetragen wie die Frauenbewegung. Nur wer aufgeklärt ist, über sich und seinen Körper frei bestimmt, wer den Mut hat, ,Nein zu sagen, kann sich vor einer ungewollten Schwangerschaft schützen. Die Frauenbewegung habe erst dafür gesorgt, das Thema zu enttabuisieren und eine öffentliche Debatte darüber zu starten.
Erste Ministerin mit Sitzstreik erstritten
Wir haben unerhört viel erreicht in den vergangenen Jahrenzenten, im Recht, der Politik und in Kirchen, sagte Schwarzer. Sie erinnerte darn, dass 1961 nur ein Sitzstreik Bundeskanzler Konrad Adenauer dazu brachte, mit Elisabeth Schwarzhaupt die erste Minsterin in sein Kabinett aufzunehmen. Die erste Abegordnete, die Anfang der 70er Jahre den Bundestag in Hosen betrat, habe für einen Skandal gesorgt. Das zeige, wie viel sich verändert habe.
Am Samstag, 12. Mai geht es bei der Tagung darum, was sich in den kommenden Jahrzehnten verändern muss. So referiert um 11.30 Uhr die Soziologin Prof. Jutta Allmendinger zur Frage der Frauenquote. Am Sonntag, 13. Mai, diskutieren Landesministerin Katrin Altpeter, verdi-Landesbezirksleiterin Leni Breymaier, Angelika Klingel, Vorsitzende des Landesfrauenrats und Petra Grimm, Professorin für Medienethik und Medienwissenschaft an der Hochschule der Medien in Stuttgart, über die Zukunft der Frauenbewegung. Die SWR-Journalistin Edda Markeli moderiert die Runde.
Das komplette Programm zum Download