Wir stehen für eine demokratische, offene und gerechte Gesellschaft

Stellungnahme zur Bundestagswahl 2025

Am 23. Februar finden die vorgezogenen Neuwahlen zum 21. Deutschen Bundestag statt. Die „heiße“ Schlussphase des Wahlkampfs ist eröffnet. Die Debatten werden schärfer. Die Wahlkampagnen intensiver. 
Das Miterleben der Vorgänge im Deutschen Bundestag und der Blick in die Wahlprogramme der Parteien veranlassen mich und die Mitunterzeichnerinnen und Mitunterzeichner auf das zu schauen, was uns für die anstehenden Wahlen Orientierung geben könnte, und uns aufgrund der Geschichte und als Grundüberzeugungen verpflichtet. 

Zur Gründung der Evangelischen Akademie Bad Boll im September 1945 gehört das Schuldbekenntnis der Evangelischen Kirche in Deutschland, in der Zeit nationalsozialistischer Diktatur „nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt zu haben“ (1). Das sollte sich in der Nachkriegszeit nicht wiederholen. Die „ganze Anfangszeit war durchdrungen von der Überzeugung, dass einer Kirche, die den nationalsozialistischen Terror überlebt hat, eine besondere Verantwortung für die Gestaltung des sozialen und politischen Lebens in einem sich erneuernden Deutschland zukommt“ (2), resümierte Akademiegründer Dr. Eberhard Müller. 

Zum Selbstverständnis der Evangelischen Akademie Bad Boll gehört daher die Absage an jede Form von Faschismus, Totalitarismus und Extremismus sowie das Eintreten für eine demokratische, offene und gerechte Gesellschaft

Als Christinnen und Christen glauben wir an die unbedingte und unveräußerliche Würde, die allen Geschöpfen durch die Gottebenbildlichkeit gegeben ist. Alle Menschen sind als das einzigartige Wesen zu achten, als das es geschaffen und ins Leben gerufen wurde, unabhängig von Herkunft, Stand, Kultur, sexueller Orientierung, religiöser Zugehörigkeit oder Geschlecht.  
Diesem Glauben widerspricht jedes Ansinnen, das die Achtung der Geschöpflichkeit an festgelegte Bedingungen knüpft, das anders Denkende diskriminiert oder Menschen anderer Orientierungen und Lebensentwürfe die Gleichberechtigung und Würde abspricht.  
Dem Glauben an die Gottebenbildlichkeit und der zu schützende Würde aller Menschen widerspricht wer die Freiheit sexueller Orientierung, die geschlechtsbezogene Selbstbestimmung oder die Gleichheit von Geschlechtern ablehnt (3), Inklusion nicht als Menschenrecht, sondern als „ideologisch motiviert“ einordnet (4), oder gendergerechte Bildung als „politische Indoktrination“(5) und „Umerziehungsprogramme“(6) bekämpfen will. 

Als Christinnen und Christen glauben wir an die Zuwendung Gottes an alle Menschen und Völker. Nicht nur Teile der Menschheit, bestimmte Ethnien oder Nationen, sondern alle Geschöpfe sind Ziel der Liebe und Zuwendung Gottes. 
Diesem Glauben widerspricht jedes Ansinnen, das einzelnen Völkern und Nationen größere Existenzrechte zuschreibt als anderen und unter dem Begriff „Volk“ nicht die Gemeinschaft von Menschen gleicher Rechte versteht, sondern abgrenzend und ausschließend „Volk“ allein als Gemeinschaft ethnisch oder kulturell Gleicher propagiert (7). 
Diesem Glauben widerspricht, wer die Nation als kulturelle Einheit begreift, die durch andere wesensfremde Kulturen gefährdet sei (8), wer Flucht und Migration als eine „Kampagne der Einwanderungslobby“(9) bezeichnet. Diesem Glauben widerspricht, wer die „Ideologie des Multikulturalismus (…) als ernsthafte Bedrohung für den sozialen Frieden und für den Fortbestand der Nation als kulturelle Einheit“(10) betrachtet, gegen die nur “mittels einer aktivierenden Familienpolitik eine höhere Geburtenrate der einheimischen Bevölkerung als mittel- und langfristig einzig tragfähige Lösung“(11) helfe.  
Diesem Glauben widerspricht jede Programmatik, die auf einem exklusiven Volks- und Lebens-raumverständnis basierend die Einwanderung und das Existenzrecht zureisender Menschen verwehrt (12) und das Asylrecht als „überkommene Politik“(13) und „irregeleiteten Humanitarismus“(14) bezeichnet. 

Als Christinnen und Christen glauben wir, dass uns Gottes Schöpfung in Stellvertretung anvertraut ist. Wir dürfen die Welt bebauen, wir müssen sie aber auch bewahren. Als Christinnen und Christen setzen wir uns für die Schöpfungsbewahrung als verbindliche Grundlage von Wirtschaft und Gesellschaft ein. Um für alle Menschen die Lebensgrundlagen zu erhalten, arbeiten wir mit am Schutz von Klima, Natur und Umwelt, nicht zuletzt aus Gründen der Gerechtigkeit.
Diesem Glauben widerspricht jedes Ansinnen, als sei die Schöpfung uns zur willkürlichen Nutzung und maßlosen Ausbeutung gegeben, als gäbe es keine Verantwortung für die Zukunft und den Fortbestand des Lebens auf Erden. Dem Glauben an die uns aufgetragene Schöpfungsbewahrung widerspricht, wer behauptet, dass „der menschgemachte Klimawandel (…) politisch konstruiert“(15) sei, „Klimaschutz auf hypothetischen Klimamodellen beruht”(16) und der Weltklimarat und die deutsche Regierung „die positive Wirkung von CO2 auf das Pflanzenwachstum und auf die Welternährung unterschlage“(17). 
 
Die aufgeführten Zitate aus den Wahlprogrammen der „Alternative für Deutschland“ sind nur die Spitze eines Eisbergs an Gedanken, Formulierungen und Narrativen, die in Kreisen dieser Partei gepflegt werden. Sie widersprechen dem, was wir aus der deutschen Geschichte lernen und nie mehr Wirklichkeit werden lassen wollten. Sie widersprechen dem, was wir als Christinnen und Christen glauben. 
Mit großer Sorge sehen wir, wie diese Stimmen zunehmend Gehör finden. Wir wollen wachsam sein und uns mit unserer Arbeit an der Evangelischen Akademie Bad Boll für das einsetzen, was uns von unserem Gewissen und unseren Grundüberzeugungen aufgetragen ist. Wir wollen ein Ort respektvollen Dialogs und eines fairen Ringens um eine gute Zukunft und ein gutes Miteinander aller Geschöpfe sein.

Bad Boll, 17. Februar 2025
Dr. Dietmar Merz, geschäftsführender Direktor der Evangelischen Akademie Bad Boll

Monika Appmann, stellvertretende Direktorin
Pamela Bässler, Tagungsorganisatorin
Alexander Bergholz, Referent Kommunikation & Marketing 
Eliane Bueno Dörfer, Sekretariat, Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt (KDA), Prälatur Ulm
Martina Fischle, Tagungsorganisatorin
Dr. Thomas Haas, Studienleiter Lebensformen, Diversity und Soziales
Dr. Carola Hausotter, Studienleiterin Friedensethik und Transkulturalität
Maren Janetzko, Projektleiterin Fachdienst Jugend ∙ Bildung ∙ Politik, Projekt Alles Glaubenssache
Kathinka Kaden, Wirtschafts- und Sozialpfarrerin, Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt (KDA), Prälatur Stuttgart
Lisa Karle, Tagungsorganisatorin
Albrecht Knoch, Wirtschafts- und Sozialpfarrer, Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt (KDA), Prälatur Ulm
Irmtraud Link, stellvertretende Geschäftsführerin
Prof. Dr. Andrés Musacchio, Studienleiter Ökonomie und Sozialpolitik
Dr. Kerstin Renz, Studienleiterin Wohnen, Gebaute Umwelt, Kultur
Thomas Reusch-Frey, ehem. Leiter Fachdienst treffpunkt 50plus
Armin Roether, Archivar und Bibliothekar
Sigrid Schöttle, Studienleiterin Fachdienst Jugend ∙ Bildung ∙ Politik
Peter Steinle, Studienleiter Theologische Ethik in gesellschaftlichen Entwicklungen
Carmen Storch, Vertrauensperson der Schwerbehinderten Mitarbeiter*innen
Tanja Urban, Studienleiterin, Fachdienst Jugend ∙ Bildung ∙ Politik
Anke Wolke, Mitarbeitervertretung
Sarah Weiler, Tagungsorganisatorin

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(1) Die Stuttgarter Schulderklärung (1945), www.evangelisch.de/inhalte/113516/13-09-2012/die-stuttgarter-schulderklarung-1945.
(2) Dr. Eberhard Müller in der Zeitschrift „Erwachsenenbildung“, 12. Jahrgang (1966), S. 47f. 
(3) Programm für Deutschland. Das Grundsatzprogramm der Alternative für Deutschland, beschlossen auf dem Bundesparteitag 2016, S.41; Leitantrag der Bundesprogrammkommission. Programm der Alternative für Deutschland für die Wahl zum 21. Deut-schen Bundestag, S. 75.
(4) Europawahl Programm 2024, S. 48.
(5) Grundsatzprogramm, S. 54; Leitantrag, S. 75.
(6) Grundsatzprogramm, S. 55; Leitantrag, S. 75.
(7) Vgl. Leitantrag, S. 83.  
(8) Grundsatzprogramm, S. 61.
(9) Grundsatzprogramm, S. 61.
(10) Grundsatzprogramm, S. 47.
(11) Grundsatzprogramm, S. 41; vgl. Leitantrag, S. 71.
(12) Grundsatzprogramm, S. 58.
(13) Grundsatzprogramm, S. 59.
(14) Ebenda.
(15) Leitantrag, S. 41.
(16) Grundsatzprogramm, S. 79.
(17) Ebenda; Leitantrag, S. 42.

Kontakt

Alexander Bergholz

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Referent Kommunikation & Marketing

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