Dem Boden einen Schatz entreißen?

Blogbeitrag von Akademiedirektor Prof. Dr. Jörg Hübner

© Pixabay, Herbert Aust

Zwei kleine Orte – einer in Schweden und einer in Deutschland. Zwei kleine Orte mit einer großen Bedeutung und öffentlichen Bekanntheit in diesen Tagen. Der eine Ort wird gerade abgebaggert, der andere Ort lebt und wird bleiben: Lützerath im Rheinland und Kiruna in Schweden. Beide Orte verbindet Wesentliches: Unter ihnen befinden sich wichtige Bodenschätze. In Lützerath ist es bekanntermaßen die umstrittene Braunkohle und in Kiruna sind es, neben dem stark eisenhaltigen Magnetit, die in Apatit eingeschlossenen Seltenen Erden. Eine Million Tonnen sollen es sein – so viel, dass Europa viele Jahre damit auskommt, ohne auf die Einfuhren aus China angewiesen zu sein.

Die Seltenen Erden in Kiruna und die Braunkohle in Lützerath: An beiden Orten geht es um Energieerzeugung – in Lützerath um eine Energieerzeugung, die 2030 Vergangenheit sein soll, und in Kiruna um eine Energieform, die nach 2030 zur einzig wahren Form der Energiegewinnung gehört. Denn ohne Seltene Erden kann sich kein Windrad drehen und Strom erzeugen.

In Lützerath und Kiruna geht es um das, was wir mit dem veralteten Stichwort „Bodenschatz“ bezeichnen. Heute sprechen wir häufiger von „Ressource“. Der Begriff „Bodenschatz“ ist etwas aus der Mode gekommen. Leider. Denn dieser Begriff ist doch sehr sprechend: Es geht um Rohstoffe, denen ein hoher Wert zukommt. Sie sind ein wahrer Schatz im Boden. Sie gehören dem Boden, und wenn wir diesen Schatz heben, dann sollten wir uns dessen gewahr werden, dass wir dem Boden einen Schatz entreißen und der Boden damit ärmer wird. Und schließlich: Einem Schatz, auch einem Schatz im Boden, sollten wir uns mit einer gewissen Demut und Zurückhaltung nähern. Denn ein jeder Schatz hat eine Geschichte hinter sich, die in ihm inhärent ist und die es zu würdigen gilt. All dies klingt nicht mit, wenn wir von „Ressourcen“ sprechen, derer wir uns bemächtigen wollen.

Demut üben im Gegensatz zu bemächtigen. Darum geht es in Lützerath und in Kiruna. Wer über einen Bodenschatz nachdenkt, wer erwägt, diesen Schatz zu heben, der wird automatisch fragen: Darf ich diesen heben? Wer von einer „Ressource“ spricht, der denkt an ihr Ausbeuten, an ihr Vermarkten. Der Bodenschatz wird mittels einer „Prospektion“ sorgsam erkundet, die Ressource wird vermessen. Ja, schon die Sprache unserer Tage ist bedeutungsvoll und verrät unsere Gesinnung. Und es täte uns gut, solche überkommenen Begrifflichkeiten wieder neu zu entdecken und zu bewerten.

Denn dann könnte die Frage an Bedeutung gewinnen: Ist es wirklich sinnvoll und zielführend, jetzt diesen Bodenschatz zu bergen? Gibt es auch andere Wege, sicher in die Zukunft zu kommen, ohne dass dem Boden dieser Schatz jetzt entrissen werden muss? Vielleicht ist heute mehr Demut angebracht – auch das ein überkommener Begriff, der in nichts an Wichtigkeit verloren hat. Demut ist der Mut, etwas zu lassen. Der Mut, nicht noch größer zu werden. Der Mut, es beim Alten zu belassen. Der Demütige weiß, dass es etwas Höheres gibt – eben einen besonderen Schatz. Er wird bescheiden vor dem Schatz, den er manchmal nur im Vagen erkennt.

Demut und Bodenschatz – zwei Begriffe, die zusammengehören und auf eine Einsicht verweisen: Wir sind Geschöpfe des Schöpfers. Und nicht die Schöpfer selbst. Wer so und nicht anders vom Bodenschatz spricht, der könnte bereit sein, den einen oder anderen Bodenschatz lieber im Boden zu lassen. In den Zeiten der Klimakrise oder der Klimakatastrophe, in der wir stecken, würde solch eine Besinnung auf das, was im Boden bleiben kann, uns und unseren Kindern guttun. Reden wir also lieber von Bodenschätzen als von Ressourcen.

Mit einem Schatz werden wir doch glücklicher als mit einer einfachen Ressource. Regt diese Überlegung Ihr Nachdenken über den Umgang mit dem uns zur Verfügung Stehenden an? Wie denken Sie darüber?

Kommentare und Antworten

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Bemerkungen :

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    Ralf Ewald 02.02.2023 um 04:54
    Lieber Herr Professor Hübner,

    ja, das wäre schön, wenn die mineralischen Rohstoffe als Schatz wertgeschätzt und sorgsam genutzt statt brutal ausgebeutet würden.

    Der Begriff Bodenschatz ist in § 3 Bundes-Berggesetz definiert. Dieses Gesetz regelt in Deutschland die Nutzung von (bergfreien und grundeigenen) mineralischen Rohstoffen und ist dabei nicht zimperlich. In Fachkreisen gilt die alte Weisheit: "Bundesrecht bricht Landesrecht, und Bergrecht bricht alles".

    Das Wort Bodenschätze lässt sich auch anders konnotieren: Schatzsucher sind hinter den Bodenschätzen her, dabei finden sie die Bodenschatzkarte im Internet (https://www.bgr.bund.de/DE/Themen/Sammlungen-Grundlagen/GG_geol_Info/Karten/Deutschland/Bodenschatzkarte/bodenschatzkarte_node.html).

    Auch beim Krieg in der Ukraine geht es nicht nur um imperiale Träume und Gelüste, sondern um die Verfügungsgewalt über Bodenschätze.

    Leider mindert die Transformation von der fossilen zur erneuerbaren Energieversorgung nicht die Abhängigkeit von mineralischen Rohstoffen, der Extraktivismus geht weiter, auch wenn´s die Erneuerbaren-Enthusiasten ungern hören. Ein Planet wird geplündert - auch fast 50 Jahre nach dem gleichnamigen mahnenden Buch von Herbert Gruhl.

    Ralf Ewald, Diplom-Geologe
    • user
      Jörg Hübner 07.02.2023 um 12:49
      Lieber Herr Ewald,
      vielen Dank für Ihren Kommentar mit seinen ergänzenden Hinweisen, die ganz in meinem Sinne sind. Auch ich Kiruna ist es ja so, dass für das Bergen des gerade entdeckten Schatzes dort seit Jahrhunderten lebende Siedlergruppen mit ihren Rentieren ihre angestammte Heimat verlieren werden.
      Herzliche Grüße
      Jörg Hübner
  • user
    Thilo Schäfer 29.01.2023 um 11:43
    Wer den urzeitlich von untergegangenen Lebensformationen gebundenen Kohlenstoff an die gegenwärtige Erdoberfläche holt, verbrennt und als CO2 in die Atmosphäre heutiger Generationen bläst, hebt nicht einen Schatz, sondern macht die Anpassungsleistungen aller zwischenzeitlicher Äonen zunichte. Ausgegrabenes ist nur dann ein Schatz, wenn es in der Biosphäre seinen Wert für das Leben behält und nicht ins Gegenteil umschlägt.
    Die immer vergessene Ressource aber ist die Lebenszeit (abzüglich der Arbeitszeit) - dort liegt die einzige noch verfügbare Chance unser wirtschaftsstrukturelles Grundproblem noch zu lösen. Vorschlag:
    Transition mit sofort
    -20%  CO2-Emissionen
    -20%  unbezahlte Arbeit
    -20% Energiekosten
    -20%  Infektionen
    +20% Zeit für BNE
    +++ Lebenszeit f. Lösungen u. Friedfertigkeit!
    #Viertagewoche #Klimafreitage
    http://chng.it/JYxdz7pHHZ
    https://www.change.org/free-fridays_engl
    Das Buch dazu:
    https://osiander.bookmundo.de/thilo_schäfer
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    G. Reitz 26.01.2023 um 08:35
    Grüß Gott Herr Prof Hübner, ich denke Sie vergleichen da Äpfel mit Birnen, heißt Sie subsumieren alles was im Boden ist als BODENSCHÄTZE. Aber_ Braunkohle ist ein Rest abgestorbener Urzeit-Bäume, gebundener Kohlenstoff und damit gebundenes CO2. Diesen „Schatz“ lassen wir am besten in der Erde, dann ist es wirklich ein Schatz. Ansonsten müsste das CO2 aufwändig wieder in die Erde verbracht werden. - Wie ist es mit dem Bodenschatz Thermalwasser? Das zu heben, wenn es nicht schon von selbst an die Oberfläche kommt, kann sinnvoll sein. und bleibt damit auch oberirdisch ein Schatz, weil es Krankheiten heilt. … also doch bitte genau schauen, wo der Schatz ein Schatz ist und bleibt. Mancher Schatz, wenn er gehoben wird, wird zum Klima-Gift und damit ist es vorbei mit dem Schatz!. Grüsse G. Reitz
    • user
      Jörg Hübner 07.02.2023 um 12:54
      Guten Tag, Frau oder Herr Reitz,
      danke für den Hinweis auf den Bodenschatz Thermalwasser. Er ist ja ein schönes Beispiel dafür, dass die im Boden liegende Schätze zu achten sind. Und wer diese Achtung und Würdigung vornimmt, kann dann auch zu dem differenzierten Urteil kommen, dass der eine Schatz lieber im Boden verbleibt oder der andere unter sorgsam einzuhaltenden Rahmenbedingungen zu fördern ist. Gerade weil es sich um Schätze handelt, können und dürfen "Äpfel" nicht mit "Birnen" verglichen werden.
      Herzliche Grüße
      Jörg Hübner
  • user
    Rainer Nolte 26.01.2023 um 04:36
    Lieber Herrr Prof. Hübner,
    Ihren Gedanken zum Begriff "Ressource" möchte ich anfügen, dass es dabei nicht nur um Vermarktung geht, sondern um ein grundlegendes Prinzip unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, das sich bis in die sozialen und menschlichen Verästelungen durchsetzt, nämlich den Äquivalententausch. Der Soziologe Frank Adloff hat in seinem Werk "Die Gabe" dies schön dargelegt und Alternativen benannt (Wenn man hier was anhängen könnte, würde ich Ihnen meine Rezension davon senden). - "Demut" kann man natürlich so auslegen, wie Sie es getan haben. Das mittealterliche "diënst muot" verweist auf eine Geisteshaltung (muot), die sich in den Dienst stellt. Und da fängt die Frage an, in welchen Dienst man sich stellen will.
    Beste Grüße
    Rainer Nolte
    • user
      Jörg Hübner 07.02.2023 um 12:59
      Lieber Herr Nolte,
      Frank Adloffs "Politik der Gabe" ist mir durchaus bekannt. Können Sie mir einmal Ihre Rezension zusenden? Ich bin daran sehr interessiert. Vielen Dank schon jetzt dafür!
      Herzliche Grüße
      Jörg Hübner
  • user
    Fritzi 26.01.2023 um 01:53
    Haben Sie Avatar 2 gesehen? Ein fürchterliches Wüten gegen eine traumhaft schöne Natur. Ein Märchen und ein Schlachten zugleich. Mir gehen diese Bilder sehr nach. Auch Ihre Frage - sollten wir Schätze nicht für später im Boden lassen und den Mut haben etwas Machbares zu lassen. Ich bin überzeugt, dass ist der Weg der Zukunft.
    Danke für die Anregung.
    • user
      Jörg Hübner 07.02.2023 um 01:03
      Liebe Kommentatorin, lieber Kommentator,
      Avatar 2 habe ich nicht gesehen, sondern nur davon gehört bzw. in der SZ eine Besprechung gelesen. Aber nach diesen Beschreibungen habe ich wenig Lust, mir dies anzusehen. Und Sie haben Recht: Ja, wir brauchen einen ungeheuren Mut, andere Wege zu gehen und den bisher eingeschlagenen Pfad der Ausbeutung zu verlassen.
      Herzliche Grüße
      Jörg Hübner
  • user
    Horst Göllnitz 26.01.2023 um 01:44
    Dazu sollte man neben vielen anderen Veröfentlichungen zum Thema auch lesen und durchdenken -oder durchfühlen in seinen grundlegenden Konsequenzen: Johannes Heimrath "Die Post-Kollaps-Gesellschaft: Wie wir mit viel weniger viel besser leben - und wie wir uns heute schon darauf vorbereiten können" (Scorpio).
    • user
      Jörg Hübner 07.02.2023 um 01:05
      Lieber Herr Göllnitz,
      vielen Dank für diesen ergänzenden Verweis auf ein wichtiges Buch. Dies ist ganz in meinem Sinne!
      Herzliche Grüße
      Jörg Hübner